Michael Agoras: “Life begins at the end of your comfort zone”
Uneinigkeit, Verunsicherung, Angst - Menschen verlassen ihre geliebte Komfortzone.
Ich habe in den letzten Wochen unzählige Berichte und Beiträge über SARS-CoV-2 oder wie der Volksmund es bezeichnet, Corona-Virus, gelesen und gesehen. Ich, so könnte man zumindest meinen, habe mir in dieser Zeit eine gute fachliche Kompetenz aneignen können.
Blödsinn! Viel mehr kommt mir ein Spiel, welches ich so oft in meiner Kindheit gespielt habe, in den Sinn. Wir alle kennen dieses Spiel. Flüsterpost - Wir sitzen oder stehen in einer Reihe, wobei ein Kind dem Nachbarskind etwas ins Ohr flüstert. Das Nachbarskind flüstert dem Kind daneben, das was es verstanden hat, immer weiter und weiter und weiter, bis das letzte Kind erreicht ist. Was kommt dabei raus? Wir kennen es alle! Fakt ist, dass das Ursprungswort sich im Geflüster und Gehörtem verändert und verliert.
Dieses Gefühl erlebe ich heute, alle flüstern, wissen, empfehlen, geben gut gemeinte Ratschläge und wollen helfen.
Vor ein paar Wochen, summierten sich Meldungen, dass ein unbekanntes und gefährliches Virus ausgebrochen sei. Weit weg von uns, in der Volksrepublik China, eine Stadt namens Wuhan mit 11.1 Mio. Einwohner, bekannt für den Grosshandelsmarkt für Fische und Meeresfrüchte «Quelle Wikipedia». Ein paar Dutzend Menschen erkrankten anfangs 2020 an diesem gefährlichen Virus. Diese Nachricht nahmen wir mit halbem Ohr zur Kenntnis. Wichtigere Nachrichten, so empfanden wir, interessierten uns viel stärker. Der Klimawandel, dass viel zu warme Winterwetter oder auch Greta Thunbergs Austritt am WEF in Davos. Doch die Meldungen der rasant wachsenden Anzahl an infizierten Menschen, nahmen drastisch zu. Nun war der Virus COVID19 auch bei uns angekommen. Was im Anschluss passierte, ist uns alles sehr präsent.
Wir wurden geweckt. Uns wird nun bewusst, dass wir unsere Komfortzone verlassen müssen. Über Nacht, Nota bene, änderten wir Gewohnheiten, Strukturen und Prozesse. Die Ungewissheit und Angst verbreiten sich sehr schnell. Die Wut und das Unverständnis gegenüber Einzelgänger, Besserwisser und Querschläger, welche den Aufforderungen trotzen, Informationen und Aufforderungen des BAG ignorierten, sind gegenwärtig. Sie glauben sich unerschrocken, sind verantwortungslos, naiv und überheblich. Sie belasten und bedrohen unsere Gesellschaft.
Glücklicherweise organisierte und formierte sich das Kollektiv, wird stärker und mächtiger. Es verlässt die Komfortzone, geht notwendige Wege, fokussiert und diszipliniert sich. Solidarität – ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Wort im Jahr 2020, rückt ins Zentrum. Das Kollektiv lernt mit dieser aussergewöhnlichen Situation rasend schnell umzugehen, steht zusammen, lernt voneinander und begegnet sich mit Mitgefühl und Verständnis. Das Kollektiv hat verstanden, dass das Leben auch ausserhalb der Komfortzone weitergeht.
Uneinigkeit, Verunsicherung, Angst - Menschen verlassen ihre geliebte Komfortzone.
Ich habe in den letzten Wochen unzählige Berichte und Beiträge über SARS-CoV-2 oder wie der Volksmund es bezeichnet, Corona-Virus, gelesen und gesehen. Ich, so könnte man zumindest meinen, habe mir in dieser Zeit eine gute fachliche Kompetenz aneignen können.
Blödsinn! Viel mehr kommt mir ein Spiel, welches ich so oft in meiner Kindheit gespielt habe, in den Sinn. Wir alle kennen dieses Spiel. Flüsterpost - Wir sitzen oder stehen in einer Reihe, wobei ein Kind dem Nachbarskind etwas ins Ohr flüstert. Das Nachbarskind flüstert dem Kind daneben, das was es verstanden hat, immer weiter und weiter und weiter, bis das letzte Kind erreicht ist. Was kommt dabei raus? Wir kennen es alle! Fakt ist, dass das Ursprungswort sich im Geflüster und Gehörtem verändert und verliert.
Dieses Gefühl erlebe ich heute, alle flüstern, wissen, empfehlen, geben gut gemeinte Ratschläge und wollen helfen.
Vor ein paar Wochen, summierten sich Meldungen, dass ein unbekanntes und gefährliches Virus ausgebrochen sei. Weit weg von uns, in der Volksrepublik China, eine Stadt namens Wuhan mit 11.1 Mio. Einwohner, bekannt für den Grosshandelsmarkt für Fische und Meeresfrüchte «Quelle Wikipedia». Ein paar Dutzend Menschen erkrankten anfangs 2020 an diesem gefährlichen Virus. Diese Nachricht nahmen wir mit halbem Ohr zur Kenntnis. Wichtigere Nachrichten, so empfanden wir, interessierten uns viel stärker. Der Klimawandel, dass viel zu warme Winterwetter oder auch Greta Thunbergs Austritt am WEF in Davos. Doch die Meldungen der rasant wachsenden Anzahl an infizierten Menschen, nahmen drastisch zu. Nun war der Virus COVID19 auch bei uns angekommen. Was im Anschluss passierte, ist uns alles sehr präsent.
Wir wurden geweckt. Uns wird nun bewusst, dass wir unsere Komfortzone verlassen müssen. Über Nacht, Nota bene, änderten wir Gewohnheiten, Strukturen und Prozesse. Die Ungewissheit und Angst verbreiten sich sehr schnell. Die Wut und das Unverständnis gegenüber Einzelgänger, Besserwisser und Querschläger, welche den Aufforderungen trotzen, Informationen und Aufforderungen des BAG ignorierten, sind gegenwärtig. Sie glauben sich unerschrocken, sind verantwortungslos, naiv und überheblich. Sie belasten und bedrohen unsere Gesellschaft.
Glücklicherweise organisierte und formierte sich das Kollektiv, wird stärker und mächtiger. Es verlässt die Komfortzone, geht notwendige Wege, fokussiert und diszipliniert sich. Solidarität – ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Wort im Jahr 2020, rückt ins Zentrum. Das Kollektiv lernt mit dieser aussergewöhnlichen Situation rasend schnell umzugehen, steht zusammen, lernt voneinander und begegnet sich mit Mitgefühl und Verständnis. Das Kollektiv hat verstanden, dass das Leben auch ausserhalb der Komfortzone weitergeht.
Michael Agoras: «Raus aus der Komfortzone»
Interview geführt von Mathias Liechti
Der Leidensdruck für Firmen ist bei der Rekrutierung und Selektion noch immer nicht gross genug, findet Personalexperte Michael Agoras. Wir sprechen mit ihm über die Möglichkeiten von Social Media, Werteveränderungen und eierlegende Wollmilchsäue.
Herr Agoras, welche Entwicklungen beobachten Sie momentan in der Rekrutierung?
Hat man es mit austauschbaren, wenig qualifizierten Menschen zu tun, geht es darum, möglichst effizient und fokussiert zu sein, damit man nicht viel Zeit verliert. Allerdings wird dies in Zukunft immer seltener der Fall sein. Unsere Wirtschaft verändert sich und wird zunehmend komplexer, der Bedarf an Fach- und spezialisierten Kräften wird steigen. Darum wird die Rekrutierung – also die erste Kontaktaufnahme mit potenziellen Bewerbern – immer wichtiger. Das ist aber nur der erste Teil. Der zweite Schritt, die Selektion, ist fast noch wichtiger. Man redet von Rekrutierung und meint häufig auch die Selektion. Nach dem ersten Schritt hat man nur Unterlagen, Lebensläufe und Skills, die ganz grob dem Anforderungsprofil entsprechen, die Selektion fängt da aber erst an. Automatisierung und Digitalisierung sind hier grosse Themen. Durch immer mehr Algorithmen glaubt man, die richtigen Leute auszuwählen, was ein Grundlagenirrtum ist. Weiche Faktoren, das entsprechende Talent, die richtige Einstellung und Haltung sowie die Werte, die der Bewerber vertritt, lassen sich nicht mathematisch eruieren.
Sie sehen Rekrutierung und Selektion als zwei unterschiedliche Prozesse. Haben Sie eine Empfehlung, wie man das organisatorisch am besten löst?
Das kommt auf die Grösse und die Organisation der Firma an. In einem Konzern gibt es klare Prozesse: jede Person ist für einen bestimmten Ablauf verantwortlich. Ich stelle vermehrt fest, dass wahre Talente regelmässig durchs Anforderungsraster fallen. Etwa, weil sie eine Sprache nicht genügend gut können, der Arbeitsweg zu lang ist, sie über nicht genügend Erfahrung verfügen oder zu alt sind. Mittelgrosse Unternehmen und Konzerne mit ausgebauten HR-Abteilungen haben häufig ein breiteres Spektrum bei der Rekrutierung. Die Personalverantwortlichen führen Erstgespräche, selektieren und geben Empfehlungen. In diesen Firmen kennen die HR-Verantwortlichen unter Umständen die Abteilungen, Mitarbeitenden und deren Aufgabe nur bedingt und wissen daher zu wenig, was verlangt und gefordert ist. In kleineren, meist patronal geführten, Firmen hat vor allem der Inhaber das Sagen, der stärker ausbaubare Potenziale in den Vordergrund stellt, Rücksicht auf die Teamkonstellation nimmt und auch oft auf seine innere Stimme hört.
Employer Branding, SEO, Social Media oder Active Sourcing: In der Rekrutierung gibt es viele Trends. Welches Instrument empfehlen Sie einem KMU mit begrenzten monetären und personellen Ressourcen?
Search Engine Optimization (SEO), also Suchmaschinenoptimierung, empfehle ich jedem. Hier geht es um Fragen der Aufbereitung und Gestaltung von Inhalten auf der Webseite. Mit wenig Geld ist da relativ viel herauszuholen. Employer Branding machen generell nur Firmen mit sehr viel Geld. Bei KMU gibt es viele «Hidden Champions», also Top-Unternehmen, welche weltweit operieren und unter einem tiefen Bekanntheitsgrad leiden. Dort, und nur dort, empfehle ich, Employer Branding zu machen. Denn der neue Mitarbeitende sucht sich seinen zukünftigen Arbeitgeber meist nach dem Brand aus. Auch Active Sourcing ist etwas, das sich viele einfach nicht leisten können oder schlicht nicht wissen, wie sie es richtig anstellen sollen. Gibt man den Auftrag für Active Sourcing an externe Dienstleister, werden die Zielpersonen lediglich rekrutiert und ohne spezifischen Auftrag nicht sorgfältig genug selektioniert. Und wie schon vorher erklärt, ist die Selektion die eigentliche Arbeit. Dies braucht dann wieder kompetente und erfahrene Ressourcen. Social Media als Rekrutierungsgarant ist überbewertet und dennoch ein zeitgenössisches Instrument der Kommunikation. Es sorgt für Präsenz. Besonders dann, wenn man Ergebnisse wie Resultate aus «Great Place to Work» kommunikativ clever nutzt. Die besten Botschafter sind immer noch die eigenen Mitarbeitenden. Wenn das richtige Fans sind, dann haben Sie ein grosses Potenzial. Nehmen Sie beispielsweise Harley Davidson als Arbeitgeber. Oder kennen Sie einen Banker, der ein Tattoo des Logos seines Arbeitgebers auf seinem Oberarm trägt?
Xing und LinkedIn oder Facebook und Instagram: Worauf sollte man beim Social Media Recruiting setzen?
Wie überall gibt es auch bei der Rekrutierung diverse Datenquellen und unterschiedlich grosse Datenmengen. Die Frage ist nicht, welche Quelle die cleverere ist, sondern, welche Quelle möglichst fokussiert Ordnung schafft. Google schafft es, diese grosse Menge zu kanalisieren und nutzbar zu machen. Ein weiterer Meilenstein steht uns mit Google-Jobs bevor. Auch LinkedIn spielt beim Recruiting eine wichtige Rolle, denn sie verfügt über breite und kanalisierte Daten, welche effizient und anwenderfreundlich genutzt werden können. Facebook und Instagram sind unterhaltsam, bringen aber nicht den für uns erwünschten Mehrwert.
Instrumente wie Talent Pools oder Community Management können sich nur grössere Firmen leisten. Wird es für KMU in Zukunft immer schwieriger werden, im Kampf um die besten Talente mit den Grossen mitzuhalten?
Es gibt Menschen, die legen bei der Wahl ihres neuen Arbeitgebers einen hohen Stellenwert auf den Brand. Andere wiederum identifizieren sich über den Spannungsgrad ihrer Arbeit und mit der damit verbundenen Verantwortung. Da gibt es grosse Unterschiede, und ein direkter Vergleich macht wenig Sinn. Die Komplexität der angebotenen Stelle sowie das Image und der Bekanntheitsgrad der Unternehmung sind unter anderen wesentliche Treiber einer erfolgreichen Rekrutierung. Bei gross, mittelgross und klein gilt: Die Mitarbeitenden sind die wertvollsten Botschafter.
Als Softfaktor bei der Veränderung im Rekrutierungsverhalten wird gerne auf veränderte Wertvorstellungen der jüngeren Generation verwiesen. Wie schätzen Sie da die Lage ein? Und wie können Firmen darauf reagieren?
Jüngere – nicht alle – suchen vermehrt nach der Sinnhaftigkeit in ihrem Job. Bei älteren Generationen ist das weniger ausgeprägt. Treffen die beiden Generationen aufeinander, gibt es nicht immer einen gemeinsamen Nenner, was zu Spannungen führen kann. Dabei spielen die Rhetorik, die Gestik und Mimik oft den «Miesepeter» für Missverständnisse. Eine bewusste und ehrliche Kommunikation ist dabei sehr wertvoll. Allerdings bleibt die Frage, ob die Wirtschaft eine Werteveränderung zulässt, offen. Denn das Ergebnis ist am Ende das gleiche, der Weg ist einfach ein anderer. Es braucht also Führungskräfte, die die neue Generation abholen können.
Immer wieder hört man, dass monetäre Gründe nicht mehr ausschlaggebend seien für einen Jobwechsel. Sind Softfaktoren wirklich so wichtig oder zieht ein doppelt so hohes Gehalt nicht immer noch besser?
Nein, das funktioniert nicht. Es gibt verschiedene Typen von Mitarbeitenden. Ich möchte Ihnen zwei näherbringen: den «Söldner» und den «Jünger». Sie sprechen den Söldner an. Von dem bekommen Sie zwar meist eine gute Qualität, aber selten das Herz und die Leidenschaft. Anders beim Jünger. Natürlich sind marktgerechte Löhne und gute Sozialleistungen wichtig. Wichtiger aber ist die Kultur: Man muss die Mitarbeitenden wertschätzen, integrieren, projektbezogen arbeiten lassen, ihnen Verantwortung übertragen. Locken Sie einen Söldner mit einem überdurchschnittlich hohen Gehalt, wird er auch dann bleiben, wenn seine Motivation für seine Arbeit erloschen ist. Diese goldene Fessel legt niemand einfach so ab. Das Resultat wird sein, dass Sie unglückliche Menschen in Ihrem Betrieb haben, welche auf die Stimmung drücken. Eine schmerzhafte Trennung steht dann bevor.
Aber ist das nicht zu kurz gegriffen? In gewissen Firmen ist doch nicht Leidenschaft, sondern einfach Arbeitsethik, Wissen und Ausdauer gefragt. Mit werteorientierten Millennials allein wird man doch auch nicht erfolgreich?
Sie sprechen hier von prozessorientiert geführten Firmen wie zum Beispiel Rechnungsprüfern. Diese müssen sich akribisch an Abläufe halten und analytisch denken und vorgehen. Hier gibt es wenig Kreativität und Innovation, eine Drei bleibt eine Drei. In dieser Branche ist es schon so, dass Sie mit höheren Saären die besseren Mitarbeitenden bekommen und dadurch am Ende auch die besseren Ergebnisse erzielen. Ich wäre einfach vorsichtig mit Pauschalisierungen, jede Branche hat ihre eigenen Gesetze.
Authentizität und der direkte Kontakt mit den Bewerbern werden immer wichtiger. Wird dies Jobportale in Zukunft überflüssig machen?
Jobportale wird es – zumindest in dieser Form – nicht mehr lange geben. Ihre Ausrichtung wird sich stark ändern. Es geht in Richtung Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Plattformen werden sich von rein passiven Stellenvermittlern zu aktiven Rekrutierungstools wandeln.
Stichwort Fachkräftemangel: Teilweise hat man das Gefühl, der Fachkräftemangel ist hausgemacht. In Stellenprofilen wird oft so viel verlangt, dass Firmen gar keine passenden Bewerber finden können. Unternehmen müssen Stellen doch den vorhandenen Kompetenzen anpassen, statt Stellen mit Fachkräften zu besetzen versuchen, die es gar nicht gibt?
Zuerst einmal: Ja, es gibt eine Übernachfrage an qualifiziertem Personal. Aber aus welchem Grund? Wegen des Wachstums, nicht wegen der Verdrängung. Firmen wollen weiter wachsen, das ist der primäre Grund für den Bedarf an Fachkräften. Ob man nun acht oder zehn Prozent wächst, ist – überspitzt gesagt – zweitrangig, es ist keine Frage der Existenz. Die meisten Firmen befinden sich daher in einer Komfortzone und können sich erlauben, auf die eierlegende Wollmilchsau zu spekulieren und zu warten. Ist die Existenz ernsthaft bedroht, können Firmen nicht mehr auf die perfekten Mitarbeitenden warten, sondern werden Kompromisse eingehen. Und dann rate ich: «Stell die Leute mit der richtigen Einstellung ein und bilde diese entsprechend aus.»
Wie kann man denn wissen, ob die Einstellung stimmt?
Man kann Schnuppertage einführen, aber nicht dieser «Gschpürsch-mi, fühlsch-mi»-Blödsinn. Potenzielle Mitarbeitende müssen gefordert und auch temporär unter erschwerten Bedingungen arbeiten oder sogar künstlich in eine Stresssituation versetzt werden. Oder man lädt sie nach dem Erst- und dem Zweitgespräch zum Essen ein. Am Imbissstand oder im Restaurant wird sich zeigen, ob die Leute Manieren haben, wie sie sich benehmen und wie ihr Verhalten in einer anderen Umgebung ist. Und, ganz wichtig bleibt: Holen Sie mindestens zwei Referenzen ein.
Gemäss einer Studie ist die verbreitetste Strategie zur Deckung des Fachkräftebedarfs die betriebsinterne Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden. Die Personalentwicklung nimmt also einen grösseren Stellenwert als die Rekrutierung im Ausland ein. Die Wirtschaft bildet die Fachkräfte selber aus, die sie auch braucht. Eigentlich die ideale Lösung, oder nicht?
Hier sollte man zwischen fachlichen und sozialen Fähigkeiten unterscheiden. Ein Betrieb wie die ABB beispielsweise kann seine Ingenieure intern weiterbilden. In Bereichen wie Führung, betriebswirtschaftliche Zusammenhänge oder Digitalisierung geht das aber nur bedingt. Man kann diese beispielsweise über externe Anbieter und/oder Partner ergänzen. Aber die Möglichkeiten sind begrenzt. Es ist utopisch zu glauben, dass Firmen den ganzen Aus- und Weiterbildungsbedarf selber abdecken können. Dies ist auch nicht nötig. Sehen Sie, mit dem dualen Bildungssystem haben wir ein sehr erfolgreiches System in der Schweiz. Zudem finde ich die Möglichkeiten und das sehr breite Angebot der Fachhochschulen sehr gut. Eine optimale Ergänzung zu einer Berufslehre oder einer ähnlichen Grundausbildung. Denn die «Verakademisierung» ist eine weitere grosse Herausforderung, welche in den Fachkräftemangel hineinspielt.
Wer ist denn der Treiber der «Verakademisierung»?
Für mich ist es die Wirtschaft, denn sie verlangt ungebremst nach Akademikern. Man muss sich nur einmal die Jobboards anschauen. Auch die Eltern nehme ich in die Verantwortung. Viele von ihnen glauben, ein Studium sei der einzige Weg. Aber gerade bei uns in der Schweiz kann man nach der Berufslehre immer noch die Matur nachholen und studieren. Die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Ausbildungs- und Berufswege wird nicht genügend ausgeschöpft.
Wieso nicht vermehrt ältere Mitarbeitende rekrutieren? Das Potenzial wäre doch vorhanden. Viele ältere Bewerber schaffen im Selektionsprozess aber nicht einmal die erste Runde.
Das stimmt, das ist eine grosse Herausforderung. Und eine Tatsache, bei welcher ich nicht kurzfristig wertvolle Lösungen sehe. Zuerst einmal sollte man definieren, was «älter» denn genau heisst. Was früher 55 war, ist heute 45. Und wird in ein paar Jahren vielleicht sogar unter 40 sein. Unser Sozialsystem bestraft oder, diplomatischer ausgedrückt, benachteiligt die Älteren, sie sind im Vergleich zu Jüngeren zu teuer. Hinzu kommen viele Vorurteile gegenüber älteren Mitarbeitenden. Aber wie bereits gesagt: Die meisten Unternehmungen befinden sich immer noch in einer Komfortzone. Sie können es sich erlauben, ältere Bewerber mit teilweise fadenscheinigen Begründungen abzuweisen. Bekommen sie den demografischen Wandel zu spüren, verändert sich dann wahrscheinlich auch ihr Rekrutierungsverhalten. Neben dem ungenutzten Potenzial von älteren Mitarbeitenden möchte ich aber auch jenes von Müttern nennen. Über 50'000 Mütter würden von heute auf morgen ihr Teilzeitpensum erhöhen, würden es ihnen die Umstände erlauben.
Wie schlimm kann es eigentlich wirklich um den Fachkräftemangel stehen, wenn die beiden häufigsten Absagegründe «zu alt» oder «überqualifiziert» lauten?
Wenn man keinen Hunger hat, kritisiert man das beste Filet. Der Leidensdruck ist einfach noch immer nicht gross genug, «zu alt» und «überqualifiziert» sind Komfortzonenausdrücke.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung, dass Unternehmen das nötige Personal für Projekte oder Aufträge im Rahmen von Gig Economy rekrutieren?
Projektbezogene Arbeitsmodelle wird es vermehrt geben, der Charakter der Arbeit wird sich verändern. Wir sind alle kleine Ich-AGs und werden vermehrt bei mehreren Arbeitgebern angestellt sein. Jeder wird sich selber vermarkten, vermieten und/oder vermitteln. Besonders in der Informatik, in der Forschung und Entwicklung und in den Tech-Branchen wird das projektbezogene Arbeitsmodell zunehmen.
Wo sehen Sie die Herausforderungen für Schweizer Unternehmen im Zusammenhang mit Gig Economy? Werden von der Politik Massnahmen wie die Stellenmeldepflicht kommen, die das Aufkommen von neuen Arbeitsmodellen erschweren wird?
Auch wenn ich das Gefühl habe, dass wir uns immer stärker überreglementieren, stehen wir im Vergleich zum Ausland immer noch einigermassen gut da. In der Schweiz lassen wir Angebot und Nachfrage auch im Arbeitsmarkt spielen. Das Ziel muss es sein, den Arbeitsmarkt auch in Zukunft so liberal wie möglich zu belassen. Ich persönlich finde, dass die MEI eine sinnlose «Verbürokratisierung» veranstaltet und die Treiber einer prosperierenden Volkswirtschaft ignoriert sowie unsere Wohlfahrt abbremsen wird. Bürokratische Hürden wie die Stellenmeldepflicht gefährden unseren Erfolg. Wir brauchen Fachkräfte und Spezialisten aus dem Ausland, das ist eine Tatsache.
Interview geführt von Mathias Liechti
Der Leidensdruck für Firmen ist bei der Rekrutierung und Selektion noch immer nicht gross genug, findet Personalexperte Michael Agoras. Wir sprechen mit ihm über die Möglichkeiten von Social Media, Werteveränderungen und eierlegende Wollmilchsäue.
Herr Agoras, welche Entwicklungen beobachten Sie momentan in der Rekrutierung?
Hat man es mit austauschbaren, wenig qualifizierten Menschen zu tun, geht es darum, möglichst effizient und fokussiert zu sein, damit man nicht viel Zeit verliert. Allerdings wird dies in Zukunft immer seltener der Fall sein. Unsere Wirtschaft verändert sich und wird zunehmend komplexer, der Bedarf an Fach- und spezialisierten Kräften wird steigen. Darum wird die Rekrutierung – also die erste Kontaktaufnahme mit potenziellen Bewerbern – immer wichtiger. Das ist aber nur der erste Teil. Der zweite Schritt, die Selektion, ist fast noch wichtiger. Man redet von Rekrutierung und meint häufig auch die Selektion. Nach dem ersten Schritt hat man nur Unterlagen, Lebensläufe und Skills, die ganz grob dem Anforderungsprofil entsprechen, die Selektion fängt da aber erst an. Automatisierung und Digitalisierung sind hier grosse Themen. Durch immer mehr Algorithmen glaubt man, die richtigen Leute auszuwählen, was ein Grundlagenirrtum ist. Weiche Faktoren, das entsprechende Talent, die richtige Einstellung und Haltung sowie die Werte, die der Bewerber vertritt, lassen sich nicht mathematisch eruieren.
Sie sehen Rekrutierung und Selektion als zwei unterschiedliche Prozesse. Haben Sie eine Empfehlung, wie man das organisatorisch am besten löst?
Das kommt auf die Grösse und die Organisation der Firma an. In einem Konzern gibt es klare Prozesse: jede Person ist für einen bestimmten Ablauf verantwortlich. Ich stelle vermehrt fest, dass wahre Talente regelmässig durchs Anforderungsraster fallen. Etwa, weil sie eine Sprache nicht genügend gut können, der Arbeitsweg zu lang ist, sie über nicht genügend Erfahrung verfügen oder zu alt sind. Mittelgrosse Unternehmen und Konzerne mit ausgebauten HR-Abteilungen haben häufig ein breiteres Spektrum bei der Rekrutierung. Die Personalverantwortlichen führen Erstgespräche, selektieren und geben Empfehlungen. In diesen Firmen kennen die HR-Verantwortlichen unter Umständen die Abteilungen, Mitarbeitenden und deren Aufgabe nur bedingt und wissen daher zu wenig, was verlangt und gefordert ist. In kleineren, meist patronal geführten, Firmen hat vor allem der Inhaber das Sagen, der stärker ausbaubare Potenziale in den Vordergrund stellt, Rücksicht auf die Teamkonstellation nimmt und auch oft auf seine innere Stimme hört.
Employer Branding, SEO, Social Media oder Active Sourcing: In der Rekrutierung gibt es viele Trends. Welches Instrument empfehlen Sie einem KMU mit begrenzten monetären und personellen Ressourcen?
Search Engine Optimization (SEO), also Suchmaschinenoptimierung, empfehle ich jedem. Hier geht es um Fragen der Aufbereitung und Gestaltung von Inhalten auf der Webseite. Mit wenig Geld ist da relativ viel herauszuholen. Employer Branding machen generell nur Firmen mit sehr viel Geld. Bei KMU gibt es viele «Hidden Champions», also Top-Unternehmen, welche weltweit operieren und unter einem tiefen Bekanntheitsgrad leiden. Dort, und nur dort, empfehle ich, Employer Branding zu machen. Denn der neue Mitarbeitende sucht sich seinen zukünftigen Arbeitgeber meist nach dem Brand aus. Auch Active Sourcing ist etwas, das sich viele einfach nicht leisten können oder schlicht nicht wissen, wie sie es richtig anstellen sollen. Gibt man den Auftrag für Active Sourcing an externe Dienstleister, werden die Zielpersonen lediglich rekrutiert und ohne spezifischen Auftrag nicht sorgfältig genug selektioniert. Und wie schon vorher erklärt, ist die Selektion die eigentliche Arbeit. Dies braucht dann wieder kompetente und erfahrene Ressourcen. Social Media als Rekrutierungsgarant ist überbewertet und dennoch ein zeitgenössisches Instrument der Kommunikation. Es sorgt für Präsenz. Besonders dann, wenn man Ergebnisse wie Resultate aus «Great Place to Work» kommunikativ clever nutzt. Die besten Botschafter sind immer noch die eigenen Mitarbeitenden. Wenn das richtige Fans sind, dann haben Sie ein grosses Potenzial. Nehmen Sie beispielsweise Harley Davidson als Arbeitgeber. Oder kennen Sie einen Banker, der ein Tattoo des Logos seines Arbeitgebers auf seinem Oberarm trägt?
Xing und LinkedIn oder Facebook und Instagram: Worauf sollte man beim Social Media Recruiting setzen?
Wie überall gibt es auch bei der Rekrutierung diverse Datenquellen und unterschiedlich grosse Datenmengen. Die Frage ist nicht, welche Quelle die cleverere ist, sondern, welche Quelle möglichst fokussiert Ordnung schafft. Google schafft es, diese grosse Menge zu kanalisieren und nutzbar zu machen. Ein weiterer Meilenstein steht uns mit Google-Jobs bevor. Auch LinkedIn spielt beim Recruiting eine wichtige Rolle, denn sie verfügt über breite und kanalisierte Daten, welche effizient und anwenderfreundlich genutzt werden können. Facebook und Instagram sind unterhaltsam, bringen aber nicht den für uns erwünschten Mehrwert.
Instrumente wie Talent Pools oder Community Management können sich nur grössere Firmen leisten. Wird es für KMU in Zukunft immer schwieriger werden, im Kampf um die besten Talente mit den Grossen mitzuhalten?
Es gibt Menschen, die legen bei der Wahl ihres neuen Arbeitgebers einen hohen Stellenwert auf den Brand. Andere wiederum identifizieren sich über den Spannungsgrad ihrer Arbeit und mit der damit verbundenen Verantwortung. Da gibt es grosse Unterschiede, und ein direkter Vergleich macht wenig Sinn. Die Komplexität der angebotenen Stelle sowie das Image und der Bekanntheitsgrad der Unternehmung sind unter anderen wesentliche Treiber einer erfolgreichen Rekrutierung. Bei gross, mittelgross und klein gilt: Die Mitarbeitenden sind die wertvollsten Botschafter.
Als Softfaktor bei der Veränderung im Rekrutierungsverhalten wird gerne auf veränderte Wertvorstellungen der jüngeren Generation verwiesen. Wie schätzen Sie da die Lage ein? Und wie können Firmen darauf reagieren?
Jüngere – nicht alle – suchen vermehrt nach der Sinnhaftigkeit in ihrem Job. Bei älteren Generationen ist das weniger ausgeprägt. Treffen die beiden Generationen aufeinander, gibt es nicht immer einen gemeinsamen Nenner, was zu Spannungen führen kann. Dabei spielen die Rhetorik, die Gestik und Mimik oft den «Miesepeter» für Missverständnisse. Eine bewusste und ehrliche Kommunikation ist dabei sehr wertvoll. Allerdings bleibt die Frage, ob die Wirtschaft eine Werteveränderung zulässt, offen. Denn das Ergebnis ist am Ende das gleiche, der Weg ist einfach ein anderer. Es braucht also Führungskräfte, die die neue Generation abholen können.
Immer wieder hört man, dass monetäre Gründe nicht mehr ausschlaggebend seien für einen Jobwechsel. Sind Softfaktoren wirklich so wichtig oder zieht ein doppelt so hohes Gehalt nicht immer noch besser?
Nein, das funktioniert nicht. Es gibt verschiedene Typen von Mitarbeitenden. Ich möchte Ihnen zwei näherbringen: den «Söldner» und den «Jünger». Sie sprechen den Söldner an. Von dem bekommen Sie zwar meist eine gute Qualität, aber selten das Herz und die Leidenschaft. Anders beim Jünger. Natürlich sind marktgerechte Löhne und gute Sozialleistungen wichtig. Wichtiger aber ist die Kultur: Man muss die Mitarbeitenden wertschätzen, integrieren, projektbezogen arbeiten lassen, ihnen Verantwortung übertragen. Locken Sie einen Söldner mit einem überdurchschnittlich hohen Gehalt, wird er auch dann bleiben, wenn seine Motivation für seine Arbeit erloschen ist. Diese goldene Fessel legt niemand einfach so ab. Das Resultat wird sein, dass Sie unglückliche Menschen in Ihrem Betrieb haben, welche auf die Stimmung drücken. Eine schmerzhafte Trennung steht dann bevor.
Aber ist das nicht zu kurz gegriffen? In gewissen Firmen ist doch nicht Leidenschaft, sondern einfach Arbeitsethik, Wissen und Ausdauer gefragt. Mit werteorientierten Millennials allein wird man doch auch nicht erfolgreich?
Sie sprechen hier von prozessorientiert geführten Firmen wie zum Beispiel Rechnungsprüfern. Diese müssen sich akribisch an Abläufe halten und analytisch denken und vorgehen. Hier gibt es wenig Kreativität und Innovation, eine Drei bleibt eine Drei. In dieser Branche ist es schon so, dass Sie mit höheren Saären die besseren Mitarbeitenden bekommen und dadurch am Ende auch die besseren Ergebnisse erzielen. Ich wäre einfach vorsichtig mit Pauschalisierungen, jede Branche hat ihre eigenen Gesetze.
Authentizität und der direkte Kontakt mit den Bewerbern werden immer wichtiger. Wird dies Jobportale in Zukunft überflüssig machen?
Jobportale wird es – zumindest in dieser Form – nicht mehr lange geben. Ihre Ausrichtung wird sich stark ändern. Es geht in Richtung Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Plattformen werden sich von rein passiven Stellenvermittlern zu aktiven Rekrutierungstools wandeln.
Stichwort Fachkräftemangel: Teilweise hat man das Gefühl, der Fachkräftemangel ist hausgemacht. In Stellenprofilen wird oft so viel verlangt, dass Firmen gar keine passenden Bewerber finden können. Unternehmen müssen Stellen doch den vorhandenen Kompetenzen anpassen, statt Stellen mit Fachkräften zu besetzen versuchen, die es gar nicht gibt?
Zuerst einmal: Ja, es gibt eine Übernachfrage an qualifiziertem Personal. Aber aus welchem Grund? Wegen des Wachstums, nicht wegen der Verdrängung. Firmen wollen weiter wachsen, das ist der primäre Grund für den Bedarf an Fachkräften. Ob man nun acht oder zehn Prozent wächst, ist – überspitzt gesagt – zweitrangig, es ist keine Frage der Existenz. Die meisten Firmen befinden sich daher in einer Komfortzone und können sich erlauben, auf die eierlegende Wollmilchsau zu spekulieren und zu warten. Ist die Existenz ernsthaft bedroht, können Firmen nicht mehr auf die perfekten Mitarbeitenden warten, sondern werden Kompromisse eingehen. Und dann rate ich: «Stell die Leute mit der richtigen Einstellung ein und bilde diese entsprechend aus.»
Wie kann man denn wissen, ob die Einstellung stimmt?
Man kann Schnuppertage einführen, aber nicht dieser «Gschpürsch-mi, fühlsch-mi»-Blödsinn. Potenzielle Mitarbeitende müssen gefordert und auch temporär unter erschwerten Bedingungen arbeiten oder sogar künstlich in eine Stresssituation versetzt werden. Oder man lädt sie nach dem Erst- und dem Zweitgespräch zum Essen ein. Am Imbissstand oder im Restaurant wird sich zeigen, ob die Leute Manieren haben, wie sie sich benehmen und wie ihr Verhalten in einer anderen Umgebung ist. Und, ganz wichtig bleibt: Holen Sie mindestens zwei Referenzen ein.
Gemäss einer Studie ist die verbreitetste Strategie zur Deckung des Fachkräftebedarfs die betriebsinterne Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden. Die Personalentwicklung nimmt also einen grösseren Stellenwert als die Rekrutierung im Ausland ein. Die Wirtschaft bildet die Fachkräfte selber aus, die sie auch braucht. Eigentlich die ideale Lösung, oder nicht?
Hier sollte man zwischen fachlichen und sozialen Fähigkeiten unterscheiden. Ein Betrieb wie die ABB beispielsweise kann seine Ingenieure intern weiterbilden. In Bereichen wie Führung, betriebswirtschaftliche Zusammenhänge oder Digitalisierung geht das aber nur bedingt. Man kann diese beispielsweise über externe Anbieter und/oder Partner ergänzen. Aber die Möglichkeiten sind begrenzt. Es ist utopisch zu glauben, dass Firmen den ganzen Aus- und Weiterbildungsbedarf selber abdecken können. Dies ist auch nicht nötig. Sehen Sie, mit dem dualen Bildungssystem haben wir ein sehr erfolgreiches System in der Schweiz. Zudem finde ich die Möglichkeiten und das sehr breite Angebot der Fachhochschulen sehr gut. Eine optimale Ergänzung zu einer Berufslehre oder einer ähnlichen Grundausbildung. Denn die «Verakademisierung» ist eine weitere grosse Herausforderung, welche in den Fachkräftemangel hineinspielt.
Wer ist denn der Treiber der «Verakademisierung»?
Für mich ist es die Wirtschaft, denn sie verlangt ungebremst nach Akademikern. Man muss sich nur einmal die Jobboards anschauen. Auch die Eltern nehme ich in die Verantwortung. Viele von ihnen glauben, ein Studium sei der einzige Weg. Aber gerade bei uns in der Schweiz kann man nach der Berufslehre immer noch die Matur nachholen und studieren. Die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Ausbildungs- und Berufswege wird nicht genügend ausgeschöpft.
Wieso nicht vermehrt ältere Mitarbeitende rekrutieren? Das Potenzial wäre doch vorhanden. Viele ältere Bewerber schaffen im Selektionsprozess aber nicht einmal die erste Runde.
Das stimmt, das ist eine grosse Herausforderung. Und eine Tatsache, bei welcher ich nicht kurzfristig wertvolle Lösungen sehe. Zuerst einmal sollte man definieren, was «älter» denn genau heisst. Was früher 55 war, ist heute 45. Und wird in ein paar Jahren vielleicht sogar unter 40 sein. Unser Sozialsystem bestraft oder, diplomatischer ausgedrückt, benachteiligt die Älteren, sie sind im Vergleich zu Jüngeren zu teuer. Hinzu kommen viele Vorurteile gegenüber älteren Mitarbeitenden. Aber wie bereits gesagt: Die meisten Unternehmungen befinden sich immer noch in einer Komfortzone. Sie können es sich erlauben, ältere Bewerber mit teilweise fadenscheinigen Begründungen abzuweisen. Bekommen sie den demografischen Wandel zu spüren, verändert sich dann wahrscheinlich auch ihr Rekrutierungsverhalten. Neben dem ungenutzten Potenzial von älteren Mitarbeitenden möchte ich aber auch jenes von Müttern nennen. Über 50'000 Mütter würden von heute auf morgen ihr Teilzeitpensum erhöhen, würden es ihnen die Umstände erlauben.
Wie schlimm kann es eigentlich wirklich um den Fachkräftemangel stehen, wenn die beiden häufigsten Absagegründe «zu alt» oder «überqualifiziert» lauten?
Wenn man keinen Hunger hat, kritisiert man das beste Filet. Der Leidensdruck ist einfach noch immer nicht gross genug, «zu alt» und «überqualifiziert» sind Komfortzonenausdrücke.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung, dass Unternehmen das nötige Personal für Projekte oder Aufträge im Rahmen von Gig Economy rekrutieren?
Projektbezogene Arbeitsmodelle wird es vermehrt geben, der Charakter der Arbeit wird sich verändern. Wir sind alle kleine Ich-AGs und werden vermehrt bei mehreren Arbeitgebern angestellt sein. Jeder wird sich selber vermarkten, vermieten und/oder vermitteln. Besonders in der Informatik, in der Forschung und Entwicklung und in den Tech-Branchen wird das projektbezogene Arbeitsmodell zunehmen.
Wo sehen Sie die Herausforderungen für Schweizer Unternehmen im Zusammenhang mit Gig Economy? Werden von der Politik Massnahmen wie die Stellenmeldepflicht kommen, die das Aufkommen von neuen Arbeitsmodellen erschweren wird?
Auch wenn ich das Gefühl habe, dass wir uns immer stärker überreglementieren, stehen wir im Vergleich zum Ausland immer noch einigermassen gut da. In der Schweiz lassen wir Angebot und Nachfrage auch im Arbeitsmarkt spielen. Das Ziel muss es sein, den Arbeitsmarkt auch in Zukunft so liberal wie möglich zu belassen. Ich persönlich finde, dass die MEI eine sinnlose «Verbürokratisierung» veranstaltet und die Treiber einer prosperierenden Volkswirtschaft ignoriert sowie unsere Wohlfahrt abbremsen wird. Bürokratische Hürden wie die Stellenmeldepflicht gefährden unseren Erfolg. Wir brauchen Fachkräfte und Spezialisten aus dem Ausland, das ist eine Tatsache.
Michael Agoras: Talentmanagement - Ein Trugschluss
Interviewt von Julia Bryner, Leiterin Marketing & Events, swissstaffing
Deine Definition von Talentmangement.
Der Begriff «Talentmanagement» ist mittlerweile so missbraucht, dass wir ihn neu beschreiben müssen. Was heisst Talentmanagement? Die Grundidee dahinter stimmt und ist für mich eine zentrale HR-Herausforderung und -Aufgabe. Aber was viele daraus machen, ist falsch. Ein Vergleich: Es ist in etwa so, wie wenn du Ausdauersport machen willst und stattdessen Schach spielst. Beides ist Sport, doch das eigentliche Ziel, nämlich deine Ausdauer zu trainieren und dich auszupowern verfehlst du gründlich. Talentmanagement verändert sich laufend. In der Schweiz und in ähnlich modernen Nationen sollte man heute anstelle dem ausgedienten Talent «management», von Talenthunting und Talentcaring sprechen. Vor allem Unternehmungen mit einer ausgebauten HR-Abteilung haben diese Evolution bis dato verpasst. Wir sprechen heute vom War of Talents, Employer of Choice und Employer Branding. Es wird sehr viel Geld ins Branding investiert à la «Wir sind die Schönsten und die Besten». Das Ziel jedoch wird gründlich verfehlt und am Schluss fehlen uns die Talente noch immer und wir fragen uns tatsächlich, wieso?
Weshalb fehlen die Talente?
Meiner Meinung gibt es dafür zwei Erklärungen. Erstens: Die Unternehmungen betreiben falsches Branding, mit künstlichen Botschaften und oberflächlichen Informationen. Zweitens: Die Talente wollen ernstgenommen werden, sie wollen Echtheit erfahren und eine Auswahl erhalten. Für Lehrlinge existieren beispielsweise Lehrwerkstätten, in denen sich verschiedene Unternehmen zusammenschliessen um ihnen optimale Ausbildungsbedingungen zu ermöglichen. Weshalb gibt es das nicht für die Talente? Unternehmen der gleichen Branche oder solche mit ähnlichen Herausforderungen könnten sich zu einer Community zusammenschliessen, zu einem Talent-Planet. Die Realität sieht jedoch anders aus. Solange die Unternehmen ihre Mitarbeiter als ihr Eigentum betrachten und sich entsprechend verhalten, können wir uns nicht entwickeln und kreative Lösungen werden nicht überleben. Ergo, ein Trugschluss.
Was ist die Konsequenz von diesem Denken?
Es ist eine ganze Kette an Missverständnissen. Die Unternehmen sollten verstehen, dass sie kreativ, proaktiv und vielseitig auf die Talente zugehen müssen. Heute ist dies noch nicht der Fall. Recruiter haben ihre veralteten Prozesse einzuhalten. Immer wieder werden die gleichen Inserate geschaltet und unauffällige sowie nichtssagende Posts auf den einschlägigen Social-Media-Plattformen publiziert. Das Resultat bleibt mager. Wenn dann endlich eine Bewerbung eintrifft, sind die Algorithmen der angeblich mit künstlichen Intelligenz befruchteten Roboter die nächste Hürde. Sie verkennen die Talente und schrecken diese ab – und das finde ich noch viel schlimmer. Zu guter Letzt bleibt wieder die Eine so wichtige Frage unbeantwortet stehen: «Wo um Gottes Willen sind all diese Talente?».
Und dann kommt die Absage des Unternehmens, obwohl es ein Ultratalent wäre…
Genau. Talente werden heute immer noch nach Skills, Ausbildung, Weiterbildung, Sprachen, Wohnort und Erfahrungen gesucht. Unsere ganzen Prozesse sind auf diesen Kriterien aufgebaut. Als Grundlage dienen überholte Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile. Als Basis dafür dienen die Motivationsschreiben, welche sich an Superlativen und getunten Adjektiven überbieten und schicke, gepimpte Lebensläufe. Ich bin kein Freund von Motivationsschreiben und Lebensläufen, denn sie ermöglichen mir weder einen Einblick in die wahre Persönlichkeit und die Fähigkeiten noch erfahre ich die Einstellung und die echte Motivation. Meiner Meinung nach sollte die Einstellung und Motivation konsequent erfragt, besprochen und verglichen werden.
Was ist richtig gutes Talentmangement für dich?
Wenn Talente nach ihren Potentialen gesucht, angestellt und entwickelt werden. Es sollte ein harmonisches Zusammenspiel der Unternehmung mit dem Talent sein – mit klaren Rahmenbedingungen, Regeln und zeitlichem Horizont. Ich spreche von einer weitsichtigen und fairen Karriereplanung basierend auf Persönlichkeit, Fähigkeiten und Interessen. Es braucht sowohl vom Unternehmen als auch vom Talent die Bereitschaft und das Engagement Verbindlichkeiten einzugehen, Versprechungen einzuhalten und gegenseitig zu investieren. Solche Firmen betreiben echtes Talentmanagement oder wie ich das bezeichnen würde «Talentcaring».
Talente zu finden wird immer schwieriger. Richtig oder falsch?
Für mich ist das eine Ausrede, eine Entschuldigung für verpasste Chancen. Ein Nichtverstehen, was es benötigt, um die gewünschten Talente zu finden und zu gewinnen. Wir müssen unsere Einstellung ändern. Die Talente müssen das echte Interesse der Firmen spüren. Ich bin überzeugt, es gibt keinen Mismatch von Angebot und Nachfrage. Die Talente sind anspruchsvoller, wählerischer und selbstsicherer geworden. Ich gebe dir das klassische Beispiel mit dem Fisch: Wenn die Angel mehr oder weniger an der gleichen Stelle, mit dem gleichen Köder ausgeworfen wird, so denken sich die Fische «Nicht schon wieder die gleiche Made. Ich will etwas Besseres, ich will umworben, ich will ernst genommen werden». Natürlich hinkt dieser Vergleich hinterher, aber er illustriert auf eine sinnbildliche Art und Weise, um was es mir geht. Die Talente möchten umworben und ernst genommen werden. Sie wollen Verbindlichkeit, Sinnhaftigkeit, Chancenvielfalt und Ehrlichkeit erfahren. Viele Firmen präsentieren sich schlecht, verkaufen sich unter ihrem Wert und verpassen durch ihre überalterten Prozesse Chancen. Individualität, Persönlichkeit, flexibles Timing, Kreativität und Mut zu neuen Wegen ist gefragt. Zeigen Sie wahres und echtes Interesse an den Talenten. Jedes Talent, welches sich beworben hat, ist ein wertvoller Botschafter für die Unternehmung. Das muss man sich bewusst sein.
In Zukunft wird es aufgrund der Qualifikationen wenige Gewinner und viele Verlierer geben. Was würdest du als Arbeitgeber dagegen machen?
Das sehe ich ebenso. Aktuell ist es noch nicht stark bemerkbar, weil uns die Wirtschaftssituation in die Hände spielt. Sobald sich das wirtschaftliche Umfeld abkühlt, wird die entstandene Friktion stärker ersichtlich. Mein Grundsatz: Wir alle müssen mit der Zeit gehen und die Tugend der Neugier bewahren. Als Arbeitgeber haben wir eine soziale und wirtschaftliche Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern. Wir sollten Zeit und Ressourcen in deren Aus- und Weiterbildung und in ihre Persönlichkeitsentwicklung investieren.
Auf den Punkt gebracht – Was sind die 5 Schwächen im heutigen Talentmanagment?
- Die Hard Facts stehen immer noch im Vordergrund: Das sagt über das Talent sehr wenig aus. Vielmehr sollte auf die Fähigkeiten und die Einstellung geschaut werden.
- Der Blickwinkel ist zu einseitig: Wir haben einen Stellenbeschrieb, der aber morgen schon veraltet ist. Das widerspiegelt unsere heutige Dynamik schlichtweg nicht mehr. Die Chancen und Perspektiven sollten im Vordergrund stehen. Es heisst schliesslich Talent-MANAGEMENT.
- Unwissenheit, und Desinteresse bei den Recruitern: Menschen, die die Talente suchen und überzeugen sollten, kennen häufig ihr eigenes Unternehmen und deren gesuchte Profile nicht gut genug. So bleiben die Kompetenz, die Leidenschaft und das Feuer auf der Strecke.
- Das Unternehmen wirbt nicht für sich und um das Talent: Talente wollen umworben werden. Firmen müssen Marketing in eigener Sache machen.
- Alles ist sehr unverbindlich: Firmen erwarten, dass mit einem oder zwei Vorstellungsgespräche oder/und mit einem Schnuppertag bereits eine Loyalität und Identifikation erreicht werden kann. Das ist nicht realistisch.
Kurz gesagt: Es muss ein frischer Wind her. Die Zeiten sind vorbei, in denen mit Desinteresse rekrutiert werden kann.
Dein Tipp um Talente effizient zu finden.
Wenn ich mit Leidenschaft, Echtheit und Überzeugung rekrutiere und selektioniere, dann spürt man das. Lasst nur die Recruiter ans Werk, die Fans sind. Nur die Jünger und nicht die Söldner. Ein wunderbares Beispiel ist der Heineken Spot „The Candidate“ (https://youtu.be/a9JLJ4cm3W8). Es geht um Identifikation und Stolz bei der Arbeit, um Leidenschaft. Das muss das Ziel sein.
Was macht dir als Geschäftsführer Sorgen in der Schweiz?
Ich habe Einblick in etliche Schweizer Unternehmen. Das ist ein Vorteil meines Berufes und das hat mich schon immer begeistert. Ich kann sagen: Die Schweizer Unternehmen sind sehr gut unterwegs, kompetitiv aufgestellt und frisch in der Ideologie. Ich mache mir keine Sorgen um die Schweizer Wirtschaft. Aber um die Regulierungen, die in der Politik immer wieder diskutiert werden. Die Absichten sind gut, aber das Verständnis für die Konsequenzen fehlt. Wenn man an einem Rad eines komplexen Getriebes dreht, so sollte man die Auswirkungen auf das Gesamte nicht ausser Acht lassen… Die Politik, Verbände oder Interessensgemeinschaften möchten unser liberales, föderalistisches und freies Land schlichtweg zu fest reglementieren. Und das kann verheerende Auswirkungen auf unsere Wirtschaftsfähigkeit, Dynamik, Wettbewerbsstärke und schlussendlich unsere Arbeitsplätze haben. Das bereitet mir wirklich Sorgen.
Und auf was freust du dich?
Es ist mehr ein Stolz und weniger eine Freude. Ich bin stolz in einem Land zu leben, das so gute Rahmenbedingungen, eine starke Tradition, fleissige Arbeitnehmer, gesunde und innovative Unternehmungen und politischen Frieden hat. Und ich könnte noch weitere Tugenden der Schweiz aufzählen. Was ich sagen will ist, dass wir in einem Paradies leben, welches wir uns erarbeitet haben. Manchmal fehlt uns das Bewusstsein und die Dankbarkeit. Vieles wird zur Gewohnheit. Wir leben in einem der grossartigsten Länder dieses Planeten. Besinnen wir uns auf unsere Stärken und Eigenheiten – ich freue mich wirklich in den nächsten Jahren Teil davon zu sein.
Interviewt von Julia Bryner, Leiterin Marketing & Events, swissstaffing
Deine Definition von Talentmangement.
Der Begriff «Talentmanagement» ist mittlerweile so missbraucht, dass wir ihn neu beschreiben müssen. Was heisst Talentmanagement? Die Grundidee dahinter stimmt und ist für mich eine zentrale HR-Herausforderung und -Aufgabe. Aber was viele daraus machen, ist falsch. Ein Vergleich: Es ist in etwa so, wie wenn du Ausdauersport machen willst und stattdessen Schach spielst. Beides ist Sport, doch das eigentliche Ziel, nämlich deine Ausdauer zu trainieren und dich auszupowern verfehlst du gründlich. Talentmanagement verändert sich laufend. In der Schweiz und in ähnlich modernen Nationen sollte man heute anstelle dem ausgedienten Talent «management», von Talenthunting und Talentcaring sprechen. Vor allem Unternehmungen mit einer ausgebauten HR-Abteilung haben diese Evolution bis dato verpasst. Wir sprechen heute vom War of Talents, Employer of Choice und Employer Branding. Es wird sehr viel Geld ins Branding investiert à la «Wir sind die Schönsten und die Besten». Das Ziel jedoch wird gründlich verfehlt und am Schluss fehlen uns die Talente noch immer und wir fragen uns tatsächlich, wieso?
Weshalb fehlen die Talente?
Meiner Meinung gibt es dafür zwei Erklärungen. Erstens: Die Unternehmungen betreiben falsches Branding, mit künstlichen Botschaften und oberflächlichen Informationen. Zweitens: Die Talente wollen ernstgenommen werden, sie wollen Echtheit erfahren und eine Auswahl erhalten. Für Lehrlinge existieren beispielsweise Lehrwerkstätten, in denen sich verschiedene Unternehmen zusammenschliessen um ihnen optimale Ausbildungsbedingungen zu ermöglichen. Weshalb gibt es das nicht für die Talente? Unternehmen der gleichen Branche oder solche mit ähnlichen Herausforderungen könnten sich zu einer Community zusammenschliessen, zu einem Talent-Planet. Die Realität sieht jedoch anders aus. Solange die Unternehmen ihre Mitarbeiter als ihr Eigentum betrachten und sich entsprechend verhalten, können wir uns nicht entwickeln und kreative Lösungen werden nicht überleben. Ergo, ein Trugschluss.
Was ist die Konsequenz von diesem Denken?
Es ist eine ganze Kette an Missverständnissen. Die Unternehmen sollten verstehen, dass sie kreativ, proaktiv und vielseitig auf die Talente zugehen müssen. Heute ist dies noch nicht der Fall. Recruiter haben ihre veralteten Prozesse einzuhalten. Immer wieder werden die gleichen Inserate geschaltet und unauffällige sowie nichtssagende Posts auf den einschlägigen Social-Media-Plattformen publiziert. Das Resultat bleibt mager. Wenn dann endlich eine Bewerbung eintrifft, sind die Algorithmen der angeblich mit künstlichen Intelligenz befruchteten Roboter die nächste Hürde. Sie verkennen die Talente und schrecken diese ab – und das finde ich noch viel schlimmer. Zu guter Letzt bleibt wieder die Eine so wichtige Frage unbeantwortet stehen: «Wo um Gottes Willen sind all diese Talente?».
Und dann kommt die Absage des Unternehmens, obwohl es ein Ultratalent wäre…
Genau. Talente werden heute immer noch nach Skills, Ausbildung, Weiterbildung, Sprachen, Wohnort und Erfahrungen gesucht. Unsere ganzen Prozesse sind auf diesen Kriterien aufgebaut. Als Grundlage dienen überholte Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile. Als Basis dafür dienen die Motivationsschreiben, welche sich an Superlativen und getunten Adjektiven überbieten und schicke, gepimpte Lebensläufe. Ich bin kein Freund von Motivationsschreiben und Lebensläufen, denn sie ermöglichen mir weder einen Einblick in die wahre Persönlichkeit und die Fähigkeiten noch erfahre ich die Einstellung und die echte Motivation. Meiner Meinung nach sollte die Einstellung und Motivation konsequent erfragt, besprochen und verglichen werden.
Was ist richtig gutes Talentmangement für dich?
Wenn Talente nach ihren Potentialen gesucht, angestellt und entwickelt werden. Es sollte ein harmonisches Zusammenspiel der Unternehmung mit dem Talent sein – mit klaren Rahmenbedingungen, Regeln und zeitlichem Horizont. Ich spreche von einer weitsichtigen und fairen Karriereplanung basierend auf Persönlichkeit, Fähigkeiten und Interessen. Es braucht sowohl vom Unternehmen als auch vom Talent die Bereitschaft und das Engagement Verbindlichkeiten einzugehen, Versprechungen einzuhalten und gegenseitig zu investieren. Solche Firmen betreiben echtes Talentmanagement oder wie ich das bezeichnen würde «Talentcaring».
Talente zu finden wird immer schwieriger. Richtig oder falsch?
Für mich ist das eine Ausrede, eine Entschuldigung für verpasste Chancen. Ein Nichtverstehen, was es benötigt, um die gewünschten Talente zu finden und zu gewinnen. Wir müssen unsere Einstellung ändern. Die Talente müssen das echte Interesse der Firmen spüren. Ich bin überzeugt, es gibt keinen Mismatch von Angebot und Nachfrage. Die Talente sind anspruchsvoller, wählerischer und selbstsicherer geworden. Ich gebe dir das klassische Beispiel mit dem Fisch: Wenn die Angel mehr oder weniger an der gleichen Stelle, mit dem gleichen Köder ausgeworfen wird, so denken sich die Fische «Nicht schon wieder die gleiche Made. Ich will etwas Besseres, ich will umworben, ich will ernst genommen werden». Natürlich hinkt dieser Vergleich hinterher, aber er illustriert auf eine sinnbildliche Art und Weise, um was es mir geht. Die Talente möchten umworben und ernst genommen werden. Sie wollen Verbindlichkeit, Sinnhaftigkeit, Chancenvielfalt und Ehrlichkeit erfahren. Viele Firmen präsentieren sich schlecht, verkaufen sich unter ihrem Wert und verpassen durch ihre überalterten Prozesse Chancen. Individualität, Persönlichkeit, flexibles Timing, Kreativität und Mut zu neuen Wegen ist gefragt. Zeigen Sie wahres und echtes Interesse an den Talenten. Jedes Talent, welches sich beworben hat, ist ein wertvoller Botschafter für die Unternehmung. Das muss man sich bewusst sein.
In Zukunft wird es aufgrund der Qualifikationen wenige Gewinner und viele Verlierer geben. Was würdest du als Arbeitgeber dagegen machen?
Das sehe ich ebenso. Aktuell ist es noch nicht stark bemerkbar, weil uns die Wirtschaftssituation in die Hände spielt. Sobald sich das wirtschaftliche Umfeld abkühlt, wird die entstandene Friktion stärker ersichtlich. Mein Grundsatz: Wir alle müssen mit der Zeit gehen und die Tugend der Neugier bewahren. Als Arbeitgeber haben wir eine soziale und wirtschaftliche Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern. Wir sollten Zeit und Ressourcen in deren Aus- und Weiterbildung und in ihre Persönlichkeitsentwicklung investieren.
Auf den Punkt gebracht – Was sind die 5 Schwächen im heutigen Talentmanagment?
- Die Hard Facts stehen immer noch im Vordergrund: Das sagt über das Talent sehr wenig aus. Vielmehr sollte auf die Fähigkeiten und die Einstellung geschaut werden.
- Der Blickwinkel ist zu einseitig: Wir haben einen Stellenbeschrieb, der aber morgen schon veraltet ist. Das widerspiegelt unsere heutige Dynamik schlichtweg nicht mehr. Die Chancen und Perspektiven sollten im Vordergrund stehen. Es heisst schliesslich Talent-MANAGEMENT.
- Unwissenheit, und Desinteresse bei den Recruitern: Menschen, die die Talente suchen und überzeugen sollten, kennen häufig ihr eigenes Unternehmen und deren gesuchte Profile nicht gut genug. So bleiben die Kompetenz, die Leidenschaft und das Feuer auf der Strecke.
- Das Unternehmen wirbt nicht für sich und um das Talent: Talente wollen umworben werden. Firmen müssen Marketing in eigener Sache machen.
- Alles ist sehr unverbindlich: Firmen erwarten, dass mit einem oder zwei Vorstellungsgespräche oder/und mit einem Schnuppertag bereits eine Loyalität und Identifikation erreicht werden kann. Das ist nicht realistisch.
Kurz gesagt: Es muss ein frischer Wind her. Die Zeiten sind vorbei, in denen mit Desinteresse rekrutiert werden kann.
Dein Tipp um Talente effizient zu finden.
Wenn ich mit Leidenschaft, Echtheit und Überzeugung rekrutiere und selektioniere, dann spürt man das. Lasst nur die Recruiter ans Werk, die Fans sind. Nur die Jünger und nicht die Söldner. Ein wunderbares Beispiel ist der Heineken Spot „The Candidate“ (https://youtu.be/a9JLJ4cm3W8). Es geht um Identifikation und Stolz bei der Arbeit, um Leidenschaft. Das muss das Ziel sein.
Was macht dir als Geschäftsführer Sorgen in der Schweiz?
Ich habe Einblick in etliche Schweizer Unternehmen. Das ist ein Vorteil meines Berufes und das hat mich schon immer begeistert. Ich kann sagen: Die Schweizer Unternehmen sind sehr gut unterwegs, kompetitiv aufgestellt und frisch in der Ideologie. Ich mache mir keine Sorgen um die Schweizer Wirtschaft. Aber um die Regulierungen, die in der Politik immer wieder diskutiert werden. Die Absichten sind gut, aber das Verständnis für die Konsequenzen fehlt. Wenn man an einem Rad eines komplexen Getriebes dreht, so sollte man die Auswirkungen auf das Gesamte nicht ausser Acht lassen… Die Politik, Verbände oder Interessensgemeinschaften möchten unser liberales, föderalistisches und freies Land schlichtweg zu fest reglementieren. Und das kann verheerende Auswirkungen auf unsere Wirtschaftsfähigkeit, Dynamik, Wettbewerbsstärke und schlussendlich unsere Arbeitsplätze haben. Das bereitet mir wirklich Sorgen.
Und auf was freust du dich?
Es ist mehr ein Stolz und weniger eine Freude. Ich bin stolz in einem Land zu leben, das so gute Rahmenbedingungen, eine starke Tradition, fleissige Arbeitnehmer, gesunde und innovative Unternehmungen und politischen Frieden hat. Und ich könnte noch weitere Tugenden der Schweiz aufzählen. Was ich sagen will ist, dass wir in einem Paradies leben, welches wir uns erarbeitet haben. Manchmal fehlt uns das Bewusstsein und die Dankbarkeit. Vieles wird zur Gewohnheit. Wir leben in einem der grossartigsten Länder dieses Planeten. Besinnen wir uns auf unsere Stärken und Eigenheiten – ich freue mich wirklich in den nächsten Jahren Teil davon zu sein.
Michael Agoras: "Bitte nicht lesen, Sie sind überqualifiziert!"
Überqualifiziert. So werden viele gute Bewerberinnen und Bewerber jeden Tag abgestempelt, ja geradezu abgekanzelt. Das ist ganz einfach dumm. Gedanken zu einer Groteske.
In der Schweiz fehlt es an allen Ecken und Enden an erfahrenen Fachkräften. Trotzdem können es sich Unternehmungen offensichtlich noch immer erlauben, Männer und Frauen mit einem ausgezeichneten Ausbildungsrucksack und voll an Erfahrungen mit einem hochnäsigen «überqualifiziert», aussen vor zu lassen.
Von guten Personalentscheidern erwarte ich, dass sie das tun, was sie auch von ihren Kandidaten einfordern: Reflektieren. Gerade in der Personalauswahl haben sich über die Jahrzehnte Mythen eingeschlichen, die längst überholt sind. Das unsägliche «überqualifiziert» gehört definitiv dazu.
Niemand würde ernsthaft in Frage stellen, dass sich der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren stark verändert hat. Das klassische Karrieremodell meiner Generation hat ernsthaft Konkurrenz bekommen. Wirtschaftlich weitgehend sorgenfrei rücken für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer andere Werte als Prestige und Karriereleiter in den Mittelpunkt. Aufgaben in der Familie, horizontale Karriereschritte und die Sinnfrage führen bei Vielen in den besten Jahren ihres Berufslebens zu einem «Downshifting».
„Wer eine Leiter raufgeht, kann auch wieder runter. Arbeit ist auch nicht alles - auch nicht für Leute, die hochqualifiziert sind“, trifft Buchautorin Svenja Hofert im Spiegel den Nagel auf den Kopf. Die Befreiung aus dem Karrierekorsett wagen meist sehr gut ausgebildete Personen mit einem grossen Erfahrungsschatz. Ich frage mich: Wie kann man dieses «Bewerbergold» einfach so kaltschnäuzig liegen lassen? Weil das halt schon immer so war? Oder ist gar am Ende die Angst, eine Person einzustellen, die einem selber in Sachen Erfahrung und Wissen überlegen ist, der Treiber für die noch immer inflationäre Verwendung dieses dummen Absagegrunds? Oder macht man es sich einfach und glaubt, dass diese Begründung von den Bewerberinnen und Bewerbern besser akzeptiert wird? Ich mache ganz andere Erfahrungen: Nichts schätzen Menschen im Bewerbungsprozess mehr als die Wahrheit.
Wer als Personalentscheider mit einem saloppen «überqualifiziert» argumentiert, ist für mich schlicht unterqualifiziert für seine verantwortungsvolle Tätigkeit. Das Unwort hat für mich etwas unglaublich Anmassendes und ärgert mich sehr. Wie kann man allein aufgrund einiger Papiere und dem Werdegang für sich selber entscheiden, was einen anderen Menschen antreibt?
In die gleiche Richtung denkt Professor Martin Beck. Für ihn ist es «ein Totschlagargument, mit dem Bewerber chancenlos in die Flucht geschlagen werden. Überqualifiziert, also nicht geeignet». Das ist auch für Beck geradezu absurd, ja sogar «einer der merkwürdigsten Gedankengänge, die man sich im Umfeld einer Stellenbesetzung vorstellen kann. Als ob man immer genau nur so viel Grips, Bildung, Training, Kompetenz und Kraft haben dürfte, wie in der Stellenbeschreibung ausgewiesen ist. Was weniger ist, führt zum Ausschluss wegen mangelnder Kompetenz. Was über das gewünschte Maß hinausragt, führt dann zum Ausschluss wegen Überqualifizierung. Eine merkwürdige Denkweise».
Diese Groteske erinnert mich an die Sache mit den Querdenkern, auch so einem Ärgernis. Alle wünschen sich solche «aus der Reihe Tänzer» – aber dann doch bitteschön nicht zu sehr. Und doch so streamline, dass der CV bei den engmaschigen automatisierten Vorselektionsalgorithmen hängen bleibt. Das ist so logisch wie Werbung machen, ohne auffallen zu wollen…
Mein Rat: Nutzen Sie dieses weggeworfene Potenzial der «Downshifter». Entdecken Sie Ihre Neugierde wieder und laden Sie bei jeder Vakanz immer auch mindestens eine Person ein, die auf den ersten Blick nicht dem Standardprofil entspricht.
Überqualifiziert. So werden viele gute Bewerberinnen und Bewerber jeden Tag abgestempelt, ja geradezu abgekanzelt. Das ist ganz einfach dumm. Gedanken zu einer Groteske.
In der Schweiz fehlt es an allen Ecken und Enden an erfahrenen Fachkräften. Trotzdem können es sich Unternehmungen offensichtlich noch immer erlauben, Männer und Frauen mit einem ausgezeichneten Ausbildungsrucksack und voll an Erfahrungen mit einem hochnäsigen «überqualifiziert», aussen vor zu lassen.
Von guten Personalentscheidern erwarte ich, dass sie das tun, was sie auch von ihren Kandidaten einfordern: Reflektieren. Gerade in der Personalauswahl haben sich über die Jahrzehnte Mythen eingeschlichen, die längst überholt sind. Das unsägliche «überqualifiziert» gehört definitiv dazu.
Niemand würde ernsthaft in Frage stellen, dass sich der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren stark verändert hat. Das klassische Karrieremodell meiner Generation hat ernsthaft Konkurrenz bekommen. Wirtschaftlich weitgehend sorgenfrei rücken für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer andere Werte als Prestige und Karriereleiter in den Mittelpunkt. Aufgaben in der Familie, horizontale Karriereschritte und die Sinnfrage führen bei Vielen in den besten Jahren ihres Berufslebens zu einem «Downshifting».
„Wer eine Leiter raufgeht, kann auch wieder runter. Arbeit ist auch nicht alles - auch nicht für Leute, die hochqualifiziert sind“, trifft Buchautorin Svenja Hofert im Spiegel den Nagel auf den Kopf. Die Befreiung aus dem Karrierekorsett wagen meist sehr gut ausgebildete Personen mit einem grossen Erfahrungsschatz. Ich frage mich: Wie kann man dieses «Bewerbergold» einfach so kaltschnäuzig liegen lassen? Weil das halt schon immer so war? Oder ist gar am Ende die Angst, eine Person einzustellen, die einem selber in Sachen Erfahrung und Wissen überlegen ist, der Treiber für die noch immer inflationäre Verwendung dieses dummen Absagegrunds? Oder macht man es sich einfach und glaubt, dass diese Begründung von den Bewerberinnen und Bewerbern besser akzeptiert wird? Ich mache ganz andere Erfahrungen: Nichts schätzen Menschen im Bewerbungsprozess mehr als die Wahrheit.
Wer als Personalentscheider mit einem saloppen «überqualifiziert» argumentiert, ist für mich schlicht unterqualifiziert für seine verantwortungsvolle Tätigkeit. Das Unwort hat für mich etwas unglaublich Anmassendes und ärgert mich sehr. Wie kann man allein aufgrund einiger Papiere und dem Werdegang für sich selber entscheiden, was einen anderen Menschen antreibt?
In die gleiche Richtung denkt Professor Martin Beck. Für ihn ist es «ein Totschlagargument, mit dem Bewerber chancenlos in die Flucht geschlagen werden. Überqualifiziert, also nicht geeignet». Das ist auch für Beck geradezu absurd, ja sogar «einer der merkwürdigsten Gedankengänge, die man sich im Umfeld einer Stellenbesetzung vorstellen kann. Als ob man immer genau nur so viel Grips, Bildung, Training, Kompetenz und Kraft haben dürfte, wie in der Stellenbeschreibung ausgewiesen ist. Was weniger ist, führt zum Ausschluss wegen mangelnder Kompetenz. Was über das gewünschte Maß hinausragt, führt dann zum Ausschluss wegen Überqualifizierung. Eine merkwürdige Denkweise».
Diese Groteske erinnert mich an die Sache mit den Querdenkern, auch so einem Ärgernis. Alle wünschen sich solche «aus der Reihe Tänzer» – aber dann doch bitteschön nicht zu sehr. Und doch so streamline, dass der CV bei den engmaschigen automatisierten Vorselektionsalgorithmen hängen bleibt. Das ist so logisch wie Werbung machen, ohne auffallen zu wollen…
Mein Rat: Nutzen Sie dieses weggeworfene Potenzial der «Downshifter». Entdecken Sie Ihre Neugierde wieder und laden Sie bei jeder Vakanz immer auch mindestens eine Person ein, die auf den ersten Blick nicht dem Standardprofil entspricht.
Probezeit & Co: Ein alter Zopf
Wie stellen Unternehmen heute sicher, dass die richtigen Mitarbeiter eingestellt werden?
(lacht) Das können sie nicht sicherstellen. Werfen wir einen Blick auf den Rekrutierungsprozess. Zuerst ist jemand ein «anonymer» Bewerber, das heisst dieser jemand bewirbt sich aktiv oder wird beworben. In dieser ersten Phase wird der Bewerber grob gescreent und im Anschluss entschieden, ob er oder sie überhaupt ein Kandidat werden kann. Und bereits dort liegt meist das Problem begraben. Viele Unternehmen machen am Anfang einfach zu wenig gründliche Arbeit. Das ist wie bei einem Winzer. Anstatt die besten Trauben zu selektionieren, um die Qualität des Weins zu steigern, nimmt er beinahe alle, weil er das Volumen braucht. Das gleiche Problem ist im Recruiting und in der Personaldienstleistung. Die Hausaufgaben werden häufig viel zu oberflächlich gemacht. Entweder ist das Unternehmen extrem kritisch, was zwar gut ist aber meistens werden die Talente nicht berücksichtigt. Wenn jemand beispielsweise eine Sprache nicht richtig beherrscht ist das ein kleines Problem. Die Sprache kann gelernt werden, die richtige Einstellung aber nicht. Oder es geht über das Volumen und es werden einfach aus den 150 Bewerbungen 10 bis 15 Bewerbungen selektioniert und dann entschieden. Für einen perfekten Match braucht es aber bedeutend mehr.
Und was genau braucht es für den perfekten Match?
Wissen! Der Recruiter muss viel über die Firma wissen. Das ist in den seltensten Fällen so. In Grossunternehmen ist das Wissen auch intern meist nur eingeschränkt vorhanden, weil es schlicht sehr komplex ist und der Wandel im jeweiligen Unternehmen präsent ist. Das ist auch eine Schwierigkeit unserer Branche; das Wissen ist oft oberflächlich. Doch was ist Wissen überhaupt? Das kann man nicht einfach nachlesen oder mittels Youtube lernen. Wissen geht viel tiefer. Es ist unter dem Eisberg: Was ist die Kultur der Firma, was ist die Wertepolitik, was sind die formellen und informellen Prozesse? Wer ist wirklich der Leader, wer ist der Beeinflusser? Wenn der Recruiter dieses Wissen nicht hat, so frage ich mich, wie ein perfekter Match entstehen kann. Probleme, Fehlentscheidungen und die falschen Mitarbeiter sind die Konsequenz. Es braucht Zeit, Willen und Energie sowie mehrfache Besuche und Gespräche. Es ist ein Irrtum nur mit dem Besteller zu reden. Meistens ist das das HR. Ein Stellenbeschrieb und Inserat reichen aber hinten und vorne nicht. Man muss wirklich in die Tiefe gehen. Und dafür sind manche nicht gewillt, sich die notwendige Zeit zu nehmen.
Und das ist erst die eine Seite...
Genau. Wie viele Male können wir wirklich behaupten, dass wir den Kandidaten oder die Kandidatin gut kennen? Für das kann man nicht einfach nur ein Skype-Interview führen, eine Datenbank ausfüllen und alles abrufen was auf dem Netz ist. Die Kandidatin muss man in verschiedenen Situationen erleben. Sie zu einem Gespräch einladen, einen Kaffee trinken gehen, am Morgen um Viertel nach Sieben anrufen, mal am Abend. So lernt man die Person auch in Stresssituationen kennen.
Dafür könnte man doch auch Referenzen einholen...
Wo holt man Referenzen ein? Bei den Vorgesetzen. Das ist nicht zielführend. Was will oder was kann der Vorgesetze denn sagen? Referenzen muss man bei den Peers einholen, bei Unterstellten oder dem kollegialen Umfeld. Am besten bei Personen, die der Recruiter und die Kandidatin beide kennen. Das hilft den Blickwinkel zu ändern. In der Realität wird das viel zu selten gemacht. Recruiter und Personalberater stehen unter einem grossen Erfolgsdruck. Bei 30 Prozent eines Matchs hören die meisten auf und merken nicht, dass es weit mehr bräuchte. Das ist die traurige Realität.
Wie nützlich sind denn Arbeitszeugnisse?
Arbeitszeugnisse sollten abgeschafft werden. Diese Standardwerkzeuge nützen in der Rekrutierung sehr wenig. Der Lebenslauf ist sowieso getunt und das Zeugnis ist sehr standardisiert und nichtssagend. Als Recruiter musst du aber erkennen, was nicht im Zeugnis niedergeschrieben wird. Das Zeugnis muss man lesen und sich fragen, was nicht erwähnt wurde. Ein Zeugnis zu interpretieren ist jedoch nutzlos, wenn nicht gar gefährlich. Weil alles relativ ist. Was heisst «Sie war stets zuverlässig»? Wir alle haben völlig andere Anforderungen und ein anderes Verständnis von Zuverlässigkeit. Auch Zertifikate. Wie häufig habe ich brillante Noten gesehen, aber die Person hatte nur eine schwache Sozialkompetenz. Es ist immer ein Ganzes. Das Zeugnis braucht es als Arbeitsnachweis. Ein Recruiter sollte sich jedoch überlegen, was er damit anfangen soll und was es wirklich aussagt. Ein Empfehlungsschreiben wäre meiner Meinung besser, echter. Das Arbeitszeugnis gibt nur darüber Auskunft, wie diese Person in genau dieser Funktion, in genau dieser Firma tätig war. Das kann nicht auf einen weiteren Job übertragen werden. Im Empfehlungsschreiben kann ein Vorgesetzter, Mitarbeiter oder Kollege schildern, wie er oder sie die Person wahrgenommen hat und das sagt viel mehr aus.
Ist die Probezeit ein alter Zopf oder wichtiger denn je?
Umso sauberer rekrutiert wird, desto besser kann man die Probezeit leben. Umso schlechter rekrutiert wird, desto wichtiger ist die Probezeit. Da sind wir wieder beim perfekten Match. Eine Trennung in der Probezeit hinterlässt nicht selten ein fahles Gefühl. Meiner Meinung nach ist die Probezeit einfach nicht mehr zeitgemäss. Nur schon das Wort «Probezeit». Was heisst das eigentlich? Das klingt nach Umtauschrecht für eine Ware. Das geht doch einfach nicht, schliesslich haben wir es mit Menschen zu tun. Die Kündigungsfrist sollte einfach kürzer sein und dann bräuchte es keine Probezeit mehr. Eine unverhältnismässig lange Kündigungsfrist beispielswiese von drei oder mehr Monaten ist für den Arbeitnehmer ein Hindernis und nicht eine wie so oft erhoffte Sicherheit. Die wenigsten Unternehmen brauchen erst in drei Monaten eine neue Person, sondern just-in-time. Unsere Arbeitswelt muss in den nächsten Jahren zu 100 Prozent flexibel werden.
Wie denn?
Gewisse Sachen modernisieren sich und andere bleiben einfach stehen – wie die Probezeit. Unsere Fahrtickets kaufen wir mittlerweile ja auch nicht mehr als Kartonkarte am Schalter. Wir lösen es just-in-time auf der SBB App kurz bevor wir in den Zug steigen. Das gleiche sollte auch für HR Prozesse gelten. Es braucht mehr Transparenz, mehr Fairness. Das Arbeitszeugnis ist nicht fair, denn es ist einseitig und verleitet zu Annahmen. Deshalb finde ich das Bewertungssystem von Coople (vormals Staff Finder) top – dort können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenseitig bewerten und es ist komplett transparent. Das sollten sich meiner Meinung nach alle Unternehmen zu Herzen nehmen: Transparenz. In Zukunft ist es entscheidend wie informativ wir werden. Die Unternehmen müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, die Mitarbeiter involvieren, Verantwortung übergeben und das Wissen und die Power von unten nutzen. Das Zusammenspiel entscheidet viel darüber, wie gut wir mit den Veränderungen umgehen und wie erfolgreich wir in Zukunft sein werden.
Wie stellen Unternehmen heute sicher, dass die richtigen Mitarbeiter eingestellt werden?
(lacht) Das können sie nicht sicherstellen. Werfen wir einen Blick auf den Rekrutierungsprozess. Zuerst ist jemand ein «anonymer» Bewerber, das heisst dieser jemand bewirbt sich aktiv oder wird beworben. In dieser ersten Phase wird der Bewerber grob gescreent und im Anschluss entschieden, ob er oder sie überhaupt ein Kandidat werden kann. Und bereits dort liegt meist das Problem begraben. Viele Unternehmen machen am Anfang einfach zu wenig gründliche Arbeit. Das ist wie bei einem Winzer. Anstatt die besten Trauben zu selektionieren, um die Qualität des Weins zu steigern, nimmt er beinahe alle, weil er das Volumen braucht. Das gleiche Problem ist im Recruiting und in der Personaldienstleistung. Die Hausaufgaben werden häufig viel zu oberflächlich gemacht. Entweder ist das Unternehmen extrem kritisch, was zwar gut ist aber meistens werden die Talente nicht berücksichtigt. Wenn jemand beispielsweise eine Sprache nicht richtig beherrscht ist das ein kleines Problem. Die Sprache kann gelernt werden, die richtige Einstellung aber nicht. Oder es geht über das Volumen und es werden einfach aus den 150 Bewerbungen 10 bis 15 Bewerbungen selektioniert und dann entschieden. Für einen perfekten Match braucht es aber bedeutend mehr.
Und was genau braucht es für den perfekten Match?
Wissen! Der Recruiter muss viel über die Firma wissen. Das ist in den seltensten Fällen so. In Grossunternehmen ist das Wissen auch intern meist nur eingeschränkt vorhanden, weil es schlicht sehr komplex ist und der Wandel im jeweiligen Unternehmen präsent ist. Das ist auch eine Schwierigkeit unserer Branche; das Wissen ist oft oberflächlich. Doch was ist Wissen überhaupt? Das kann man nicht einfach nachlesen oder mittels Youtube lernen. Wissen geht viel tiefer. Es ist unter dem Eisberg: Was ist die Kultur der Firma, was ist die Wertepolitik, was sind die formellen und informellen Prozesse? Wer ist wirklich der Leader, wer ist der Beeinflusser? Wenn der Recruiter dieses Wissen nicht hat, so frage ich mich, wie ein perfekter Match entstehen kann. Probleme, Fehlentscheidungen und die falschen Mitarbeiter sind die Konsequenz. Es braucht Zeit, Willen und Energie sowie mehrfache Besuche und Gespräche. Es ist ein Irrtum nur mit dem Besteller zu reden. Meistens ist das das HR. Ein Stellenbeschrieb und Inserat reichen aber hinten und vorne nicht. Man muss wirklich in die Tiefe gehen. Und dafür sind manche nicht gewillt, sich die notwendige Zeit zu nehmen.
Und das ist erst die eine Seite...
Genau. Wie viele Male können wir wirklich behaupten, dass wir den Kandidaten oder die Kandidatin gut kennen? Für das kann man nicht einfach nur ein Skype-Interview führen, eine Datenbank ausfüllen und alles abrufen was auf dem Netz ist. Die Kandidatin muss man in verschiedenen Situationen erleben. Sie zu einem Gespräch einladen, einen Kaffee trinken gehen, am Morgen um Viertel nach Sieben anrufen, mal am Abend. So lernt man die Person auch in Stresssituationen kennen.
Dafür könnte man doch auch Referenzen einholen...
Wo holt man Referenzen ein? Bei den Vorgesetzen. Das ist nicht zielführend. Was will oder was kann der Vorgesetze denn sagen? Referenzen muss man bei den Peers einholen, bei Unterstellten oder dem kollegialen Umfeld. Am besten bei Personen, die der Recruiter und die Kandidatin beide kennen. Das hilft den Blickwinkel zu ändern. In der Realität wird das viel zu selten gemacht. Recruiter und Personalberater stehen unter einem grossen Erfolgsdruck. Bei 30 Prozent eines Matchs hören die meisten auf und merken nicht, dass es weit mehr bräuchte. Das ist die traurige Realität.
Wie nützlich sind denn Arbeitszeugnisse?
Arbeitszeugnisse sollten abgeschafft werden. Diese Standardwerkzeuge nützen in der Rekrutierung sehr wenig. Der Lebenslauf ist sowieso getunt und das Zeugnis ist sehr standardisiert und nichtssagend. Als Recruiter musst du aber erkennen, was nicht im Zeugnis niedergeschrieben wird. Das Zeugnis muss man lesen und sich fragen, was nicht erwähnt wurde. Ein Zeugnis zu interpretieren ist jedoch nutzlos, wenn nicht gar gefährlich. Weil alles relativ ist. Was heisst «Sie war stets zuverlässig»? Wir alle haben völlig andere Anforderungen und ein anderes Verständnis von Zuverlässigkeit. Auch Zertifikate. Wie häufig habe ich brillante Noten gesehen, aber die Person hatte nur eine schwache Sozialkompetenz. Es ist immer ein Ganzes. Das Zeugnis braucht es als Arbeitsnachweis. Ein Recruiter sollte sich jedoch überlegen, was er damit anfangen soll und was es wirklich aussagt. Ein Empfehlungsschreiben wäre meiner Meinung besser, echter. Das Arbeitszeugnis gibt nur darüber Auskunft, wie diese Person in genau dieser Funktion, in genau dieser Firma tätig war. Das kann nicht auf einen weiteren Job übertragen werden. Im Empfehlungsschreiben kann ein Vorgesetzter, Mitarbeiter oder Kollege schildern, wie er oder sie die Person wahrgenommen hat und das sagt viel mehr aus.
Ist die Probezeit ein alter Zopf oder wichtiger denn je?
Umso sauberer rekrutiert wird, desto besser kann man die Probezeit leben. Umso schlechter rekrutiert wird, desto wichtiger ist die Probezeit. Da sind wir wieder beim perfekten Match. Eine Trennung in der Probezeit hinterlässt nicht selten ein fahles Gefühl. Meiner Meinung nach ist die Probezeit einfach nicht mehr zeitgemäss. Nur schon das Wort «Probezeit». Was heisst das eigentlich? Das klingt nach Umtauschrecht für eine Ware. Das geht doch einfach nicht, schliesslich haben wir es mit Menschen zu tun. Die Kündigungsfrist sollte einfach kürzer sein und dann bräuchte es keine Probezeit mehr. Eine unverhältnismässig lange Kündigungsfrist beispielswiese von drei oder mehr Monaten ist für den Arbeitnehmer ein Hindernis und nicht eine wie so oft erhoffte Sicherheit. Die wenigsten Unternehmen brauchen erst in drei Monaten eine neue Person, sondern just-in-time. Unsere Arbeitswelt muss in den nächsten Jahren zu 100 Prozent flexibel werden.
Wie denn?
Gewisse Sachen modernisieren sich und andere bleiben einfach stehen – wie die Probezeit. Unsere Fahrtickets kaufen wir mittlerweile ja auch nicht mehr als Kartonkarte am Schalter. Wir lösen es just-in-time auf der SBB App kurz bevor wir in den Zug steigen. Das gleiche sollte auch für HR Prozesse gelten. Es braucht mehr Transparenz, mehr Fairness. Das Arbeitszeugnis ist nicht fair, denn es ist einseitig und verleitet zu Annahmen. Deshalb finde ich das Bewertungssystem von Coople (vormals Staff Finder) top – dort können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenseitig bewerten und es ist komplett transparent. Das sollten sich meiner Meinung nach alle Unternehmen zu Herzen nehmen: Transparenz. In Zukunft ist es entscheidend wie informativ wir werden. Die Unternehmen müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, die Mitarbeiter involvieren, Verantwortung übergeben und das Wissen und die Power von unten nutzen. Das Zusammenspiel entscheidet viel darüber, wie gut wir mit den Veränderungen umgehen und wie erfolgreich wir in Zukunft sein werden.
Michael Agoras: "Warum wir den Arbeitszeugnissen ein schickliches Begräbnis spendieren sollten."
Man kennt es aus den frühen 80er Jahren: Eine Gruppe steht in Reih und Glied, vielleicht auch im Kreis. Nummer eins flüstert Nummer zwei eine Botschaft ins Ohr, diese dann wiederum Nummer drei und so weiter. Bis die Botschaft dann beim Endempfänger angekommen, ist sie kaum noch zu erkennen. Grosses Gelächter, grosses Vergnügen. Diesen Verzerrungseffekt kann man auch einfacher haben, er funktioniert auch direkt zwischen Sender und Empfänger der Information, wenn man das richtige Instrument verwendet: Arbeitszeugnisse.
Was im spielerischen Kontext witzig ist, kann im beruflichen Kontext verheerende Folgen haben und über die (Nicht-) Einladung zum Vorstellungsgespräch entscheiden. Ein Artikel im Stellenmarkt der Schweiz am Sonntag von Jörg Buckmann spricht mir aus der Seele. "Arbeitszeugnisse stiften mehr Verwirrung als sie nutzen", schreibt er und regt die Abschaffung dieses Instruments vor.
Ich weiss nicht, wie viele Arbeitszeugnisse ich in den über zwei Jahrzehnten meines beruflichen Werdegangs gelesen habe. Es müssen viele Tausend gewesen sein. Die richtig guten kann ich an meinen zwei Händen abzählen. In den letzten Jahrzehnten ist aus den Bestimmungen des Obligationenrechts ein regelrechter Dschungel an effektiven oder vermeintlichen Präzisierungen entstanden. Wahrheiten und solche, die einfach genug oft nacherzählt wurden, sind Alltag. Jeder interpretiert frisch fröhlich drauflos, im besten Fall interpretieren Absender und Recruiter dasselbe.
Nicht viele Personaler, die Zeugnisse ausstellen, können wirklich gut Schreiben. Diese Kompetenz stand bei Vielen auch nie im Vordergrund. Kein Vorwurf. Doch gerade Arbeitszeugnisse verlangen nach einer sehr präzisen Sprache. Sie sind eine Urkunde, der Anspruch auf ein korrektes Arbeitszeugnis ist rechtlich einklagbar. Friedensrichter und Arbeitsgerichte ächzen unter der Klagelast, Arbeitsjuristen reiben sich die Hände. Darum gehen viele Unternehmen auf Nummer sicher und beschreiben schwammig, unklar oder vordergründig positiv, wie es sich mit Leistung und Verhalten zutrug. Und weil die Anzahl an Zeugnissen so gross ist, werden viele im Ausland geschrieben – oder von Maschinen getippt, voll von Satzbausteinen in ihrem Bauch.
Kürzlich kam mir bei einer Führungsposition ein Schreiben in die Finger. Es war ein Empfehlungsschreiben, verfasst vom direkten Vorgesetzten. Sehr persönlich geschrieben. Mit klaren Aussagen zum Leistungsausweis – also nicht oder nicht nur darüber wie der Mann arbeitete, sondern vor allem, was er leistete. Seine Erfolge, Ergebnisse, Wirkung. Es war grossartig. Genau diese Aussagekraft wünsche ich mir von einem Zeugnis. Es hilft, das Können besser einschätzen zu können. Es regt an, sich mit dem Kandidaten näher zu beschäftigen und sorgt in der Folge dafür, dass sich Arbeitgeber vielleicht endlich auch für Bewerber interessieren, die nicht den gängigen 08/15-Werdegang aufweisen.
Mir ist klar, dass der Aufwand für so ein richtig gutes Empfehlungsscheiben gross ist. Doch eigentlich wäre es ja so unverschämt nicht, am Ende eines oft jahrelangen Einsatzes für das Unternehmen eine Stunde oder zwei Zeit für das Ausstellen einer klaren Empfehlung einzufordern. Weil das aber wohl doch Utopie bleibt, meine ich: Ganz oder gar nicht. Und schliesse mich deshalb der Haltung von immer mehr Expertenkolleginnen und -kollegen an: Weg mit den Arbeitszeugnissen.
Man kennt es aus den frühen 80er Jahren: Eine Gruppe steht in Reih und Glied, vielleicht auch im Kreis. Nummer eins flüstert Nummer zwei eine Botschaft ins Ohr, diese dann wiederum Nummer drei und so weiter. Bis die Botschaft dann beim Endempfänger angekommen, ist sie kaum noch zu erkennen. Grosses Gelächter, grosses Vergnügen. Diesen Verzerrungseffekt kann man auch einfacher haben, er funktioniert auch direkt zwischen Sender und Empfänger der Information, wenn man das richtige Instrument verwendet: Arbeitszeugnisse.
Was im spielerischen Kontext witzig ist, kann im beruflichen Kontext verheerende Folgen haben und über die (Nicht-) Einladung zum Vorstellungsgespräch entscheiden. Ein Artikel im Stellenmarkt der Schweiz am Sonntag von Jörg Buckmann spricht mir aus der Seele. "Arbeitszeugnisse stiften mehr Verwirrung als sie nutzen", schreibt er und regt die Abschaffung dieses Instruments vor.
Ich weiss nicht, wie viele Arbeitszeugnisse ich in den über zwei Jahrzehnten meines beruflichen Werdegangs gelesen habe. Es müssen viele Tausend gewesen sein. Die richtig guten kann ich an meinen zwei Händen abzählen. In den letzten Jahrzehnten ist aus den Bestimmungen des Obligationenrechts ein regelrechter Dschungel an effektiven oder vermeintlichen Präzisierungen entstanden. Wahrheiten und solche, die einfach genug oft nacherzählt wurden, sind Alltag. Jeder interpretiert frisch fröhlich drauflos, im besten Fall interpretieren Absender und Recruiter dasselbe.
Nicht viele Personaler, die Zeugnisse ausstellen, können wirklich gut Schreiben. Diese Kompetenz stand bei Vielen auch nie im Vordergrund. Kein Vorwurf. Doch gerade Arbeitszeugnisse verlangen nach einer sehr präzisen Sprache. Sie sind eine Urkunde, der Anspruch auf ein korrektes Arbeitszeugnis ist rechtlich einklagbar. Friedensrichter und Arbeitsgerichte ächzen unter der Klagelast, Arbeitsjuristen reiben sich die Hände. Darum gehen viele Unternehmen auf Nummer sicher und beschreiben schwammig, unklar oder vordergründig positiv, wie es sich mit Leistung und Verhalten zutrug. Und weil die Anzahl an Zeugnissen so gross ist, werden viele im Ausland geschrieben – oder von Maschinen getippt, voll von Satzbausteinen in ihrem Bauch.
Kürzlich kam mir bei einer Führungsposition ein Schreiben in die Finger. Es war ein Empfehlungsschreiben, verfasst vom direkten Vorgesetzten. Sehr persönlich geschrieben. Mit klaren Aussagen zum Leistungsausweis – also nicht oder nicht nur darüber wie der Mann arbeitete, sondern vor allem, was er leistete. Seine Erfolge, Ergebnisse, Wirkung. Es war grossartig. Genau diese Aussagekraft wünsche ich mir von einem Zeugnis. Es hilft, das Können besser einschätzen zu können. Es regt an, sich mit dem Kandidaten näher zu beschäftigen und sorgt in der Folge dafür, dass sich Arbeitgeber vielleicht endlich auch für Bewerber interessieren, die nicht den gängigen 08/15-Werdegang aufweisen.
Mir ist klar, dass der Aufwand für so ein richtig gutes Empfehlungsscheiben gross ist. Doch eigentlich wäre es ja so unverschämt nicht, am Ende eines oft jahrelangen Einsatzes für das Unternehmen eine Stunde oder zwei Zeit für das Ausstellen einer klaren Empfehlung einzufordern. Weil das aber wohl doch Utopie bleibt, meine ich: Ganz oder gar nicht. Und schliesse mich deshalb der Haltung von immer mehr Expertenkolleginnen und -kollegen an: Weg mit den Arbeitszeugnissen.
«Mehr Sein als Schein» – PermServ über das 100000jobs.ch-Netzwerk
Mal ganz anders: Mehr Sein als Schein. Das passt sowohl auf das 100000jobs.ch-Netzwerk wie auch auf PermServ. Beide Unternehmen haben einige Gemeinsamkeiten. So sind PermServ wie 100000jobs.ch noch so etwas Ähnliches wie Start-ups und seit ihrem Markteintritt sind erst wenige Monate vergangen. Beide bringen viele Know-how-PS auf die Strasse oder besser gesagt in die Arbeitsmärkte. Und bei beiden sind hinter den Kulissen absolute Profis am Werk.
Beim Personaldienstleister PermServ aus Zürich sind Beraterinnen und Berater mit vielen Jahrzehnten Matchingpower und grossem Arbeitsmarktwissen an Bord. Steuermann ist Michael Agoras, vorher über 20 Jahre beim Marktführer Adecco tätig, viele Jahre als CEO. Bei PermServ setzt Agoras auf Qualität, Individualität und Langfristigkeit. «Wir beraten, vermitteln und begleiten ausschliesslich bestens qualifizierte und von uns getestete Fach- und Führungskräfte. Mit ihnen und mit unseren Kunden bauen wir eine langfristige Beziehung auf und setzen auf Individualität und Transparenz.» Der Start des Unternehmens ist geglückt, «wir sind gut auf Kurs», so Agoras.
„Wir sind sehr zufrieden, ja geradezu verblüfft über den Traffic“
So wie jedes andere Unternehmen gilt es auch für PermServ, gerade in der Aufbauphase die Kosten im Griff zu haben. «Da spielt uns die Performance des 100000jobs.ch-Netzwerks perfekt in die Karten. Wir sind sehr zufrieden, ja geradezu verblüfft über den Traffic, den wir für sehr faire Preise über 100000jobs.ch und dessen Netzwerk aus vielen berufsbezogenen Spezialistenplattformen generieren. Obwohl wir mit dem Top-Listing das Premiumangebot gebucht haben, zahlen wir deutlich weniger als bei anderen Jobbörsen».
„Wir erhalten nicht nur viel Traffic, sondern auch richtig gute Bewerbungen“
Vor allem über die Sichtbarkeit der Spezialisten-Plattformen auf der Google-Trefferliste sind Agoras und sein Team erfreut. «Wir erhalten nicht nur viel Traffic, sondern auch richtig gute Bewerbungen. Viele Bewerber wissen oft gar nicht, dass sie über eine der Seiten des 100000jobs.ch-Netzwerks bei uns gelandet sind.» Das erstaunt kaum, denn auf den Jobportalen werden immer die Original-Inserate der Unternehmen angezeigt. Und das erst noch ohne, dass die Unternehmen auch nur das Geringste dafür tun müssen. Die Inserate werden direkt von der Unternehmenswebseite übernommen, mehrmals täglich. «Mit dem vollautomatischen Schalten der Inserate können wir uns Wichtigerem widmen – dem Aufbau und der Pflege einer engen Beziehung mit potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten und den Unternehmen zum Beispiel» sagt Michael Agoras. «Die Jobplattformen sind einfach und recht schnörkellos gehalten. Andere punkten in Sachen Design sicher mehr, sind noch schöner und haben mehr Features. Aber letztlich geht es darum, die Stellen zu den Interessenten zu bringen. Und umgekehrt. Beim 100000jobs.ch-Netzwerk steckt mehr Sein als Schein drin. Das gefällt mir, denn letztlich entscheiden Preis und Leistung. Und die stimmen definitiv.»
Mal ganz anders: Mehr Sein als Schein. Das passt sowohl auf das 100000jobs.ch-Netzwerk wie auch auf PermServ. Beide Unternehmen haben einige Gemeinsamkeiten. So sind PermServ wie 100000jobs.ch noch so etwas Ähnliches wie Start-ups und seit ihrem Markteintritt sind erst wenige Monate vergangen. Beide bringen viele Know-how-PS auf die Strasse oder besser gesagt in die Arbeitsmärkte. Und bei beiden sind hinter den Kulissen absolute Profis am Werk.
Beim Personaldienstleister PermServ aus Zürich sind Beraterinnen und Berater mit vielen Jahrzehnten Matchingpower und grossem Arbeitsmarktwissen an Bord. Steuermann ist Michael Agoras, vorher über 20 Jahre beim Marktführer Adecco tätig, viele Jahre als CEO. Bei PermServ setzt Agoras auf Qualität, Individualität und Langfristigkeit. «Wir beraten, vermitteln und begleiten ausschliesslich bestens qualifizierte und von uns getestete Fach- und Führungskräfte. Mit ihnen und mit unseren Kunden bauen wir eine langfristige Beziehung auf und setzen auf Individualität und Transparenz.» Der Start des Unternehmens ist geglückt, «wir sind gut auf Kurs», so Agoras.
„Wir sind sehr zufrieden, ja geradezu verblüfft über den Traffic“
So wie jedes andere Unternehmen gilt es auch für PermServ, gerade in der Aufbauphase die Kosten im Griff zu haben. «Da spielt uns die Performance des 100000jobs.ch-Netzwerks perfekt in die Karten. Wir sind sehr zufrieden, ja geradezu verblüfft über den Traffic, den wir für sehr faire Preise über 100000jobs.ch und dessen Netzwerk aus vielen berufsbezogenen Spezialistenplattformen generieren. Obwohl wir mit dem Top-Listing das Premiumangebot gebucht haben, zahlen wir deutlich weniger als bei anderen Jobbörsen».
„Wir erhalten nicht nur viel Traffic, sondern auch richtig gute Bewerbungen“
Vor allem über die Sichtbarkeit der Spezialisten-Plattformen auf der Google-Trefferliste sind Agoras und sein Team erfreut. «Wir erhalten nicht nur viel Traffic, sondern auch richtig gute Bewerbungen. Viele Bewerber wissen oft gar nicht, dass sie über eine der Seiten des 100000jobs.ch-Netzwerks bei uns gelandet sind.» Das erstaunt kaum, denn auf den Jobportalen werden immer die Original-Inserate der Unternehmen angezeigt. Und das erst noch ohne, dass die Unternehmen auch nur das Geringste dafür tun müssen. Die Inserate werden direkt von der Unternehmenswebseite übernommen, mehrmals täglich. «Mit dem vollautomatischen Schalten der Inserate können wir uns Wichtigerem widmen – dem Aufbau und der Pflege einer engen Beziehung mit potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten und den Unternehmen zum Beispiel» sagt Michael Agoras. «Die Jobplattformen sind einfach und recht schnörkellos gehalten. Andere punkten in Sachen Design sicher mehr, sind noch schöner und haben mehr Features. Aber letztlich geht es darum, die Stellen zu den Interessenten zu bringen. Und umgekehrt. Beim 100000jobs.ch-Netzwerk steckt mehr Sein als Schein drin. Das gefällt mir, denn letztlich entscheiden Preis und Leistung. Und die stimmen definitiv.»
Michael Agoras: "Ein Hoch auf halbvolle Gläser!"
Stellen Sie sich vor Sie sind im Paradies und Sie wissen es nicht.
Natürlich kenne ich die Mechanismen der Presse: Schlechte Nachrichten lesen sich einfacher und verkaufen sich besser. «BBB» Blut, Büsi, Busen – das sichert oder erhöht die Auflage und amüsiert die Leser. Da verschwinden ein paar Dutzend Stellen, dort schliesst ein Unternehmen oder verlagert die Produktion ins Ausland, Geschichten über unfähige oder überforderte Manager, Politiker und Gewerkschafter, deren Geschäftsmodell zu oft das Schwarzmalen ist. Nicht schön.
Aber es gibt sie sehr wohl, die guten News. Und, wer genau hinhören und hinsehen will erfährt, sie auch. Vor wenigen Tagen habe ich mich beim Lesen der NZZ über diese Meldung gefreut:
(…) über Innovation verfügt das kleine Binnenland Schweiz aber in beeindruckendem Mass. In der jüngsten Rangliste des Global-Innovation-Indexes (GII) steht die Schweiz einmal mehr ganz oben, und zwar im sechsten Jahr in Folge. Der gemeinsam von der World Intellectual Property Organization (Wipo), dem Insead und der Cornell University herausgegebene Index untersucht 128 Länder anhand von 82 Indikatoren, die sowohl den für Innovationen nötigen Input (etwa Gelder und Personal) als auch den damit erzielten Output (also konkrete Neukreationen) zu messen versuchen.
Ich besuchte kürzlich die Firma Kistler Instrumente AG in Winterthur. Kennen Sie nicht? Dann wird es Zeit. Das Unternehmen stellt – fast hätte ich gesagt still und heimlich - hochpräzise Messsysteme und Sensoren her. Klassisches B2B. Wenig bekannt beim Endverbraucher, in Tat und Wahrheit ein international erfolgreiches Unternehmen und Marktleader, bestens geführt und mit 1500 Arbeitsplätzen ein wichtiger Faktor auf dem Arbeitsmarkt. Ein «Hidden Champion», der jenseits der knalligen Schlagzeilen erfolgreich geschäftet. Ein Unternehmen welches in der Schweiz die ganze Wertschöpfungskette lebt, davon gibt es tausende andere Schweizer Unternehmungen mit hunderttausenden von Arbeitsplätzen. Sie sind das Rückgrat unserer Wirtschaft, die Firmen hinter der eingangs erwähnten Schlagzeile des GII-Indexes. Ich gebe es gerne zu: Ich bin ein Fan innovativen Schweizer K/M/G Unternehmungen!
An diese kleine Geschichte erinnerte ich mich diese Woche erneut, als ich in der Handelszeitung die neuen Wirtschaftsprognosen verfolgte. «Bakbasel sieht die Schweizer Zukunft rosig,» stand da. Und weiter: «Die Basler Konjunkturforscher gehen davon aus, dass sich die Erfolgsgeschichte der Schweiz fortsetzen wird und hierzulande in den kommenden zwei Jahren ein höheres Wachstumstempo als in der Eurozone erreicht werden kann.»
Ja, Gopfriedstutz, wir haben allen Grund, stolz auf unser Land, unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand zu sein! Wir haben einiges dafür getan und bewegen uns gegenwärtig intelligent und nachhaltig. Lassen wir uns unsere starke und kreative Wirtschaft nicht schlechtreden. Ich schaue mit Zuversicht in die Zukunft. Die Gläser in der Schweiz sind mindestens halbvoll! In diesem Sinne stosse ich auf eine gute Gegenwart und eine richtig gute Zukunft der Schweizer Wirtschaft an.
Stellen Sie sich vor Sie sind im Paradies und Sie wissen es nicht.
Natürlich kenne ich die Mechanismen der Presse: Schlechte Nachrichten lesen sich einfacher und verkaufen sich besser. «BBB» Blut, Büsi, Busen – das sichert oder erhöht die Auflage und amüsiert die Leser. Da verschwinden ein paar Dutzend Stellen, dort schliesst ein Unternehmen oder verlagert die Produktion ins Ausland, Geschichten über unfähige oder überforderte Manager, Politiker und Gewerkschafter, deren Geschäftsmodell zu oft das Schwarzmalen ist. Nicht schön.
Aber es gibt sie sehr wohl, die guten News. Und, wer genau hinhören und hinsehen will erfährt, sie auch. Vor wenigen Tagen habe ich mich beim Lesen der NZZ über diese Meldung gefreut:
(…) über Innovation verfügt das kleine Binnenland Schweiz aber in beeindruckendem Mass. In der jüngsten Rangliste des Global-Innovation-Indexes (GII) steht die Schweiz einmal mehr ganz oben, und zwar im sechsten Jahr in Folge. Der gemeinsam von der World Intellectual Property Organization (Wipo), dem Insead und der Cornell University herausgegebene Index untersucht 128 Länder anhand von 82 Indikatoren, die sowohl den für Innovationen nötigen Input (etwa Gelder und Personal) als auch den damit erzielten Output (also konkrete Neukreationen) zu messen versuchen.
Ich besuchte kürzlich die Firma Kistler Instrumente AG in Winterthur. Kennen Sie nicht? Dann wird es Zeit. Das Unternehmen stellt – fast hätte ich gesagt still und heimlich - hochpräzise Messsysteme und Sensoren her. Klassisches B2B. Wenig bekannt beim Endverbraucher, in Tat und Wahrheit ein international erfolgreiches Unternehmen und Marktleader, bestens geführt und mit 1500 Arbeitsplätzen ein wichtiger Faktor auf dem Arbeitsmarkt. Ein «Hidden Champion», der jenseits der knalligen Schlagzeilen erfolgreich geschäftet. Ein Unternehmen welches in der Schweiz die ganze Wertschöpfungskette lebt, davon gibt es tausende andere Schweizer Unternehmungen mit hunderttausenden von Arbeitsplätzen. Sie sind das Rückgrat unserer Wirtschaft, die Firmen hinter der eingangs erwähnten Schlagzeile des GII-Indexes. Ich gebe es gerne zu: Ich bin ein Fan innovativen Schweizer K/M/G Unternehmungen!
An diese kleine Geschichte erinnerte ich mich diese Woche erneut, als ich in der Handelszeitung die neuen Wirtschaftsprognosen verfolgte. «Bakbasel sieht die Schweizer Zukunft rosig,» stand da. Und weiter: «Die Basler Konjunkturforscher gehen davon aus, dass sich die Erfolgsgeschichte der Schweiz fortsetzen wird und hierzulande in den kommenden zwei Jahren ein höheres Wachstumstempo als in der Eurozone erreicht werden kann.»
Ja, Gopfriedstutz, wir haben allen Grund, stolz auf unser Land, unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand zu sein! Wir haben einiges dafür getan und bewegen uns gegenwärtig intelligent und nachhaltig. Lassen wir uns unsere starke und kreative Wirtschaft nicht schlechtreden. Ich schaue mit Zuversicht in die Zukunft. Die Gläser in der Schweiz sind mindestens halbvoll! In diesem Sinne stosse ich auf eine gute Gegenwart und eine richtig gute Zukunft der Schweizer Wirtschaft an.
Michael Agoras: "Manchmal sah ich mich als Skipper auf den Weltmeeren."
Anker lichten. Leinen los. Auf zu neuen Abenteuern. Jetzt lebe ich als Unternehmer!
Das war schon ein eigenartiges Gefühl, als ich im letzten Sommer mein Berufsleben als Angestellter beendete und als Kapitän eines grossen Tankers von Bord ging. Und schon bald gingen die Fragen nach meiner Zukunft los. Die einen fragten direkt und ohne Umschweife, andere robbten sich mehr oder weniger geschickt verbal heran («gell Michi, ein Stratege wie Du kündigt sicher nicht ohne konkrete Zukunftspläne»). So viel Fürsorge war mir verständlicherweise unterschiedlich angenehm.
Die Wahrheit ist: Ich freute mich zuerst einmal auf meine erste längere Auszeit im Leben. Und Pläne hatte ich in der Tat. Zuerst einmal wusste ich sehr klar, was ich nicht mehr wollte: Meetings, in denen es um interne Abläufe und Politik statt um Kunden und pfiffige Ideen geht. Corporate Governance Richtlinien eng wie ein Korsett, das einen mehr und mehr zuschnürt und fast schon das Rückgrat bricht. Quartalszahlen, Reports, Erklärungen, Präsentationen… das wahre Unternehmertum, das Gestalten und Entwickeln, trat immer mehr in den Hintergrund. Doch genau das ist es, was ich wollte. Unternehmer sein, eine tolle Firma mit guten Dienstleistungen aufbauen, die nicht nur die Kunden zufriedenstellen, sondern in der es zu arbeiten Spass macht. Wo Erfolg über eine funktionierende Work-Life-Balance (oder sagt man jetzt eigentlich Work-Life-Blend? Habe ich kürzlich gelesen) definiert wird und nicht über permanente Erreichbarkeit oder überlange Tage.
Meine Motivation ist glaskar: Ich arbeite einfach schampar gerne mit Menschen zusammen. Sie zu begleiten, zu vernetzen und mit anderen Leuten in anderen Unternehmen zusammenzubringen – das verschafft mir echte Freude und tiefe Befriedigung. Ich hatte durchaus auch verwegene Gedanken. Coach und Mentor für Start up’s, das wäre zum Beispiel eine zauberhafte Aufgabe. Oder aber ein kompletter Branchenwechsel - auch reizvoll. Und manchmal sah ich mich durch den Rauch einer meiner geliebten Zigarren am Steuerstand segelnd die Weltmeere befahren und mir noch unbekannte Länder entdecken…
Letztlich bin ich dann aber einfach meinem Herz, oder vielleicht noch passender, meiner Seele gefolgt. Ich lebe jetzt meinen Traum. Und der Soul spielt dabei eine wichtige Rolle. In den 1950er und 1960er Jahren bewegte er Amerika und die halbe Welt, mich begleitet er bis heute. Soul ist echt, er berührt und weckt Emotionen. Er geht unter die Haut. Als Unternehmer will ich genau das, etwas Echtes, etwas Emotionales.
Jetzt baue ich selber etwas auf, ein Unternehmen mit 100 Prozent Agoras in der DNA. PermServ ist nicht einfach ein weiterer Dienstleister oder Personalvermittler. Ich will zusammen mit meinen Mitunternehmerinnen und Mitunternehmer mehr sein und einiges ganz anders machen. Denn der Soul in der Personalberatung groovt noch immer durch das Vernetzen von Menschen. Das kann niemand so gut wie Menschen selber, Gott sei Dank. Viele in unserer Branche sehen ausschliesslich in schlanken, durchgestylten Prozessen die Zukunft. Ich nicht. Oder zumindest nicht ausschliesslich. Natürlich ist es wichtig, effizient zu sein. Und das bei hoher Qualität. Natürlich helfen klare Abläufe und clevere Systeme. Das alles ist nicht falsch – aber die Fokussierung darauf stimmt für mich nicht. Sie blendet den wesentlichen Aspekt der Personaldienstleistung aus: Menschen vermitteln Menschen.
Darum müssen wir entgegen dem Mainstream wieder einen Schritt oder gar einen Sprung zurück machen, um vorwärts zu kommen. Zurück zum Dialog, zu einer langfristig ausgelegten Partnerschaft mit Talenten und Unternehmen anstelle oberflächlicher Beziehungen und raschen Erfolgen. Wir müssen beide Seiten richtig gut kennen und verstehen, um sie zusammenzubringen. Das ist der Kern von PermServ. Langfristige Beziehungen aufbauen. Permanenten Service anbieten. In diesem Anspruch, der Seele meines neuen «Babys», steckt ganz viel Michael Agoras drin.
Anker lichten. Leinen los. Auf zu neuen Abenteuern. Jetzt lebe ich als Unternehmer!
Das war schon ein eigenartiges Gefühl, als ich im letzten Sommer mein Berufsleben als Angestellter beendete und als Kapitän eines grossen Tankers von Bord ging. Und schon bald gingen die Fragen nach meiner Zukunft los. Die einen fragten direkt und ohne Umschweife, andere robbten sich mehr oder weniger geschickt verbal heran («gell Michi, ein Stratege wie Du kündigt sicher nicht ohne konkrete Zukunftspläne»). So viel Fürsorge war mir verständlicherweise unterschiedlich angenehm.
Die Wahrheit ist: Ich freute mich zuerst einmal auf meine erste längere Auszeit im Leben. Und Pläne hatte ich in der Tat. Zuerst einmal wusste ich sehr klar, was ich nicht mehr wollte: Meetings, in denen es um interne Abläufe und Politik statt um Kunden und pfiffige Ideen geht. Corporate Governance Richtlinien eng wie ein Korsett, das einen mehr und mehr zuschnürt und fast schon das Rückgrat bricht. Quartalszahlen, Reports, Erklärungen, Präsentationen… das wahre Unternehmertum, das Gestalten und Entwickeln, trat immer mehr in den Hintergrund. Doch genau das ist es, was ich wollte. Unternehmer sein, eine tolle Firma mit guten Dienstleistungen aufbauen, die nicht nur die Kunden zufriedenstellen, sondern in der es zu arbeiten Spass macht. Wo Erfolg über eine funktionierende Work-Life-Balance (oder sagt man jetzt eigentlich Work-Life-Blend? Habe ich kürzlich gelesen) definiert wird und nicht über permanente Erreichbarkeit oder überlange Tage.
Meine Motivation ist glaskar: Ich arbeite einfach schampar gerne mit Menschen zusammen. Sie zu begleiten, zu vernetzen und mit anderen Leuten in anderen Unternehmen zusammenzubringen – das verschafft mir echte Freude und tiefe Befriedigung. Ich hatte durchaus auch verwegene Gedanken. Coach und Mentor für Start up’s, das wäre zum Beispiel eine zauberhafte Aufgabe. Oder aber ein kompletter Branchenwechsel - auch reizvoll. Und manchmal sah ich mich durch den Rauch einer meiner geliebten Zigarren am Steuerstand segelnd die Weltmeere befahren und mir noch unbekannte Länder entdecken…
Letztlich bin ich dann aber einfach meinem Herz, oder vielleicht noch passender, meiner Seele gefolgt. Ich lebe jetzt meinen Traum. Und der Soul spielt dabei eine wichtige Rolle. In den 1950er und 1960er Jahren bewegte er Amerika und die halbe Welt, mich begleitet er bis heute. Soul ist echt, er berührt und weckt Emotionen. Er geht unter die Haut. Als Unternehmer will ich genau das, etwas Echtes, etwas Emotionales.
Jetzt baue ich selber etwas auf, ein Unternehmen mit 100 Prozent Agoras in der DNA. PermServ ist nicht einfach ein weiterer Dienstleister oder Personalvermittler. Ich will zusammen mit meinen Mitunternehmerinnen und Mitunternehmer mehr sein und einiges ganz anders machen. Denn der Soul in der Personalberatung groovt noch immer durch das Vernetzen von Menschen. Das kann niemand so gut wie Menschen selber, Gott sei Dank. Viele in unserer Branche sehen ausschliesslich in schlanken, durchgestylten Prozessen die Zukunft. Ich nicht. Oder zumindest nicht ausschliesslich. Natürlich ist es wichtig, effizient zu sein. Und das bei hoher Qualität. Natürlich helfen klare Abläufe und clevere Systeme. Das alles ist nicht falsch – aber die Fokussierung darauf stimmt für mich nicht. Sie blendet den wesentlichen Aspekt der Personaldienstleistung aus: Menschen vermitteln Menschen.
Darum müssen wir entgegen dem Mainstream wieder einen Schritt oder gar einen Sprung zurück machen, um vorwärts zu kommen. Zurück zum Dialog, zu einer langfristig ausgelegten Partnerschaft mit Talenten und Unternehmen anstelle oberflächlicher Beziehungen und raschen Erfolgen. Wir müssen beide Seiten richtig gut kennen und verstehen, um sie zusammenzubringen. Das ist der Kern von PermServ. Langfristige Beziehungen aufbauen. Permanenten Service anbieten. In diesem Anspruch, der Seele meines neuen «Babys», steckt ganz viel Michael Agoras drin.
Michael Agoras: Talentmanagement - Der Trugschluss
Interviewt von Julia Bryner, Leiterin Marketing & Events, swissstaffing
Deine Definition von Talentmangement.
Der Begriff «Talentmanagement» ist mittlerweile so missbraucht, dass wir ihn neu beschreiben müssen. Was heisst Talentmanagement? Die Grundidee dahinter stimmt und ist für mich eine zentrale HR-Herausforderung und -Aufgabe. Aber was viele daraus machen, ist falsch. Ein Vergleich: Es ist in etwa so, wie wenn du Ausdauersport machen willst und stattdessen Schach spielst. Beides ist Sport, doch das eigentliche Ziel, nämlich deine Ausdauer zu trainieren und dich auszupowern verfehlst du gründlich. Talentmanagement verändert sich laufend. In der Schweiz und in ähnlich modernen Nationen sollte man heute anstelle dem ausgedienten Talent «management», von Talenthunting und Talentcaring sprechen. Vor allem Unternehmungen mit einer ausgebauten HR-Abteilung haben diese Evolution bis dato verpasst. Wir sprechen heute vom War of Talents, Employer of Choice und Employer Branding. Es wird sehr viel Geld ins Branding investiert à la «Wir sind die Schönsten und die Besten». Das Ziel jedoch wird gründlich verfehlt und am Schluss fehlen uns die Talente noch immer und wir fragen uns tatsächlich, wieso?
Weshalb fehlen die Talente?
Meiner Meinung gibt es dafür zwei Erklärungen. Erstens: Die Unternehmungen betreiben falsches Branding, mit künstlichen Botschaften und oberflächlichen Informationen. Zweitens: Die Talente wollen ernstgenommen werden, sie wollen Echtheit erfahren und eine Auswahl erhalten. Für Lehrlinge existieren beispielsweise Lehrwerkstätten, in denen sich verschiedene Unternehmen zusammenschliessen um ihnen optimale Ausbildungsbedingungen zu ermöglichen. Weshalb gibt es das nicht für die Talente? Unternehmen der gleichen Branche oder solche mit ähnlichen Herausforderungen könnten sich zu einer Community zusammenschliessen, zu einem Talent-Planet. Die Realität sieht jedoch anders aus. Solange die Unternehmen ihre Mitarbeiter als ihr Eigentum betrachten und sich entsprechend verhalten, können wir uns nicht entwickeln und kreative Lösungen werden nicht überleben. Ergo, ein Trugschluss.
Was ist die Konsequenz von diesem Denken?
Es ist eine ganze Kette an Missverständnissen. Die Unternehmen sollten verstehen, dass sie kreativ, proaktiv und vielseitig auf die Talente zugehen müssen. Heute ist dies noch nicht der Fall. Recruiter haben ihre veralteten Prozesse einzuhalten. Immer wieder werden die gleichen Inserate geschaltet und unauffällige sowie nichtssagende Posts auf den einschlägigen Social-Media-Plattformen publiziert. Das Resultat bleibt mager. Wenn dann endlich eine Bewerbung eintrifft, sind die Algorithmen der angeblich mit künstlichen Intelligenz befruchteten Roboter die nächste Hürde. Sie verkennen die Talente und schrecken diese ab – und das finde ich noch viel schlimmer. Zu guter Letzt bleibt wieder die Eine so wichtige Frage unbeantwortet stehen: «Wo um Gottes Willen sind all diese Talente?».
Und dann kommt die Absage des Unternehmens, obwohl es ein Ultratalent wäre…
Genau. Talente werden heute immer noch nach Skills, Ausbildung, Weiterbildung, Sprachen, Wohnort und Erfahrungen gesucht. Unsere ganzen Prozesse sind auf diesen Kriterien aufgebaut. Als Grundlage dienen überholte Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile. Als Basis dafür dienen die Motivationsschreiben, welche sich an Superlativen und getunten Adjektiven überbieten und schicke, gepimpte Lebensläufe. Ich bin kein Freund von Motivationsschreiben und Lebensläufen, denn sie ermöglichen mir weder einen Einblick in die wahre Persönlichkeit und die Fähigkeiten noch erfahre ich die Einstellung und die echte Motivation. Meiner Meinung nach sollte die Einstellung und Motivation konsequent erfragt, besprochen und verglichen werden.
Was ist richtig gutes Talentmangement für dich?
Wenn Talente nach ihren Potentialen gesucht, angestellt und entwickelt werden. Es sollte ein harmonisches Zusammenspiel der Unternehmung mit dem Talent sein – mit klaren Rahmenbedingungen, Regeln und zeitlichem Horizont. Ich spreche von einer weitsichtigen und fairen Karriereplanung basierend auf Persönlichkeit, Fähigkeiten und Interessen. Es braucht sowohl vom Unternehmen als auch vom Talent die Bereitschaft und das Engagement Verbindlichkeiten einzugehen, Versprechungen einzuhalten und gegenseitig zu investieren. Solche Firmen betreiben echtes Talentmanagement oder wie ich das bezeichnen würde «Talentcaring».
Talente zu finden wird immer schwieriger. Richtig oder falsch?
Für mich ist das eine Ausrede, eine Entschuldigung für verpasste Chancen. Ein Nichtverstehen, was es benötigt, um die gewünschten Talente zu finden und zu gewinnen. Wir müssen unsere Einstellung ändern. Die Talente müssen das echte Interesse der Firmen spüren. Ich bin überzeugt, es gibt keinen Mismatch von Angebot und Nachfrage. Die Talente sind anspruchsvoller, wählerischer und selbstsicherer geworden. Ich gebe dir das klassische Beispiel mit dem Fisch: Wenn die Angel mehr oder weniger an der gleichen Stelle, mit dem gleichen Köder ausgeworfen wird, so denken sich die Fische «Nicht schon wieder die gleiche Made. Ich will etwas Besseres, ich will umworben, ich will ernst genommen werden». Natürlich hinkt dieser Vergleich hinterher, aber er illustriert auf eine sinnbildliche Art und Weise, um was es mir geht. Die Talente möchten umworben und ernst genommen werden. Sie wollen Verbindlichkeit, Sinnhaftigkeit, Chancenvielfalt und Ehrlichkeit erfahren. Viele Firmen präsentieren sich schlecht, verkaufen sich unter ihrem Wert und verpassen durch ihre überalterten Prozesse Chancen. Individualität, Persönlichkeit, flexibles Timing, Kreativität und Mut zu neuen Wegen ist gefragt. Zeigen Sie wahres und echtes Interesse an den Talenten. Jedes Talent, welches sich beworben hat, ist ein wertvoller Botschafter für die Unternehmung. Das muss man sich bewusst sein.
In Zukunft wird es aufgrund der Qualifikationen wenige Gewinner und viele Verlierer geben. Was würdest du als Arbeitgeber dagegen machen?
Das sehe ich ebenso. Aktuell ist es noch nicht stark bemerkbar, weil uns die Wirtschaftssituation in die Hände spielt. Sobald sich das wirtschaftliche Umfeld abkühlt, wird die entstandene Friktion stärker ersichtlich. Mein Grundsatz: Wir alle müssen mit der Zeit gehen und die Tugend der Neugier bewahren. Als Arbeitgeber haben wir eine soziale und wirtschaftliche Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern. Wir sollten Zeit und Ressourcen in deren Aus- und Weiterbildung und in ihre Persönlichkeitsentwicklung investieren.
Auf den Punkt gebracht – Was sind die 5 Schwächen im heutigen Talentmanagment?
- Die Hard Facts stehen immer noch im Vordergrund: Das sagt über das Talent sehr wenig aus. Vielmehr sollte auf die Fähigkeiten und die Einstellung geschaut werden.
- Der Blickwinkel ist zu einseitig: Wir haben einen Stellenbeschrieb, der aber morgen schon veraltet ist. Das widerspiegelt unsere heutige Dynamik schlichtweg nicht mehr. Die Chancen und Perspektiven sollten im Vordergrund stehen. Es heisst schliesslich Talent-MANAGEMENT.
- Unwissenheit, und Desinteresse bei den Recruitern: Menschen, die die Talente suchen und überzeugen sollten, kennen häufig ihr eigenes Unternehmen und deren gesuchte Profile nicht gut genug. So bleiben die Kompetenz, die Leidenschaft und das Feuer auf der Strecke.
- Das Unternehmen wirbt nicht für sich und um das Talent: Talente wollen umworben werden. Firmen müssen Marketing in eigener Sache machen.
- Alles ist sehr unverbindlich: Firmen erwarten, dass mit einem oder zwei Vorstellungsgespräche oder/und mit einem Schnuppertag bereits eine Loyalität und Identifikation erreicht werden kann. Das ist nicht realistisch.
Kurz gesagt: Es muss ein frischer Wind her. Die Zeiten sind vorbei, in denen mit Desinteresse rekrutiert werden kann.
Dein Tipp um Talente effizient zu finden.
Wenn ich mit Leidenschaft, Echtheit und Überzeugung rekrutiere und selektioniere, dann spürt man das. Lasst nur die Recruiter ans Werk, die Fans sind. Nur die Jünger und nicht die Söldner. Ein wunderbares Beispiel ist der Heineken Spot „The Candidate“ (https://youtu.be/a9JLJ4cm3W8). Es geht um Identifikation und Stolz bei der Arbeit, um Leidenschaft. Das muss das Ziel sein.
Was macht dir als Geschäftsführer Sorgen in der Schweiz?
Ich habe Einblick in etliche Schweizer Unternehmen. Das ist ein Vorteil meines Berufes und das hat mich schon immer begeistert. Ich kann sagen: Die Schweizer Unternehmen sind sehr gut unterwegs, kompetitiv aufgestellt und frisch in der Ideologie. Ich mache mir keine Sorgen um die Schweizer Wirtschaft. Aber um die Regulierungen, die in der Politik immer wieder diskutiert werden. Die Absichten sind gut, aber das Verständnis für die Konsequenzen fehlt. Wenn man an einem Rad eines komplexen Getriebes dreht, so sollte man die Auswirkungen auf das Gesamte nicht ausser Acht lassen… Die Politik, Verbände oder Interessensgemeinschaften möchten unser liberales, föderalistisches und freies Land schlichtweg zu fest reglementieren. Und das kann verheerende Auswirkungen auf unsere Wirtschaftsfähigkeit, Dynamik, Wettbewerbsstärke und schlussendlich unsere Arbeitsplätze haben. Das bereitet mir wirklich Sorgen.
Und auf was freust du dich?
Es ist mehr ein Stolz und weniger eine Freude. Ich bin stolz in einem Land zu leben, das so gute Rahmenbedingungen, eine starke Tradition, fleissige Arbeitnehmer, gesunde und innovative Unternehmungen und politischen Frieden hat. Und ich könnte noch weitere Tugenden der Schweiz aufzählen. Was ich sagen will ist, dass wir in einem Paradies leben, welches wir uns erarbeitet haben. Manchmal fehlt uns das Bewusstsein und die Dankbarkeit. Vieles wird zur Gewohnheit. Wir leben in einem der grossartigsten Länder dieses Planeten. Besinnen wir uns auf unsere Stärken und Eigenheiten – ich freue mich wirklich in den nächsten Jahren Teil davon zu sein.
Interviewt von Julia Bryner, Leiterin Marketing & Events, swissstaffing
Deine Definition von Talentmangement.
Der Begriff «Talentmanagement» ist mittlerweile so missbraucht, dass wir ihn neu beschreiben müssen. Was heisst Talentmanagement? Die Grundidee dahinter stimmt und ist für mich eine zentrale HR-Herausforderung und -Aufgabe. Aber was viele daraus machen, ist falsch. Ein Vergleich: Es ist in etwa so, wie wenn du Ausdauersport machen willst und stattdessen Schach spielst. Beides ist Sport, doch das eigentliche Ziel, nämlich deine Ausdauer zu trainieren und dich auszupowern verfehlst du gründlich. Talentmanagement verändert sich laufend. In der Schweiz und in ähnlich modernen Nationen sollte man heute anstelle dem ausgedienten Talent «management», von Talenthunting und Talentcaring sprechen. Vor allem Unternehmungen mit einer ausgebauten HR-Abteilung haben diese Evolution bis dato verpasst. Wir sprechen heute vom War of Talents, Employer of Choice und Employer Branding. Es wird sehr viel Geld ins Branding investiert à la «Wir sind die Schönsten und die Besten». Das Ziel jedoch wird gründlich verfehlt und am Schluss fehlen uns die Talente noch immer und wir fragen uns tatsächlich, wieso?
Weshalb fehlen die Talente?
Meiner Meinung gibt es dafür zwei Erklärungen. Erstens: Die Unternehmungen betreiben falsches Branding, mit künstlichen Botschaften und oberflächlichen Informationen. Zweitens: Die Talente wollen ernstgenommen werden, sie wollen Echtheit erfahren und eine Auswahl erhalten. Für Lehrlinge existieren beispielsweise Lehrwerkstätten, in denen sich verschiedene Unternehmen zusammenschliessen um ihnen optimale Ausbildungsbedingungen zu ermöglichen. Weshalb gibt es das nicht für die Talente? Unternehmen der gleichen Branche oder solche mit ähnlichen Herausforderungen könnten sich zu einer Community zusammenschliessen, zu einem Talent-Planet. Die Realität sieht jedoch anders aus. Solange die Unternehmen ihre Mitarbeiter als ihr Eigentum betrachten und sich entsprechend verhalten, können wir uns nicht entwickeln und kreative Lösungen werden nicht überleben. Ergo, ein Trugschluss.
Was ist die Konsequenz von diesem Denken?
Es ist eine ganze Kette an Missverständnissen. Die Unternehmen sollten verstehen, dass sie kreativ, proaktiv und vielseitig auf die Talente zugehen müssen. Heute ist dies noch nicht der Fall. Recruiter haben ihre veralteten Prozesse einzuhalten. Immer wieder werden die gleichen Inserate geschaltet und unauffällige sowie nichtssagende Posts auf den einschlägigen Social-Media-Plattformen publiziert. Das Resultat bleibt mager. Wenn dann endlich eine Bewerbung eintrifft, sind die Algorithmen der angeblich mit künstlichen Intelligenz befruchteten Roboter die nächste Hürde. Sie verkennen die Talente und schrecken diese ab – und das finde ich noch viel schlimmer. Zu guter Letzt bleibt wieder die Eine so wichtige Frage unbeantwortet stehen: «Wo um Gottes Willen sind all diese Talente?».
Und dann kommt die Absage des Unternehmens, obwohl es ein Ultratalent wäre…
Genau. Talente werden heute immer noch nach Skills, Ausbildung, Weiterbildung, Sprachen, Wohnort und Erfahrungen gesucht. Unsere ganzen Prozesse sind auf diesen Kriterien aufgebaut. Als Grundlage dienen überholte Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile. Als Basis dafür dienen die Motivationsschreiben, welche sich an Superlativen und getunten Adjektiven überbieten und schicke, gepimpte Lebensläufe. Ich bin kein Freund von Motivationsschreiben und Lebensläufen, denn sie ermöglichen mir weder einen Einblick in die wahre Persönlichkeit und die Fähigkeiten noch erfahre ich die Einstellung und die echte Motivation. Meiner Meinung nach sollte die Einstellung und Motivation konsequent erfragt, besprochen und verglichen werden.
Was ist richtig gutes Talentmangement für dich?
Wenn Talente nach ihren Potentialen gesucht, angestellt und entwickelt werden. Es sollte ein harmonisches Zusammenspiel der Unternehmung mit dem Talent sein – mit klaren Rahmenbedingungen, Regeln und zeitlichem Horizont. Ich spreche von einer weitsichtigen und fairen Karriereplanung basierend auf Persönlichkeit, Fähigkeiten und Interessen. Es braucht sowohl vom Unternehmen als auch vom Talent die Bereitschaft und das Engagement Verbindlichkeiten einzugehen, Versprechungen einzuhalten und gegenseitig zu investieren. Solche Firmen betreiben echtes Talentmanagement oder wie ich das bezeichnen würde «Talentcaring».
Talente zu finden wird immer schwieriger. Richtig oder falsch?
Für mich ist das eine Ausrede, eine Entschuldigung für verpasste Chancen. Ein Nichtverstehen, was es benötigt, um die gewünschten Talente zu finden und zu gewinnen. Wir müssen unsere Einstellung ändern. Die Talente müssen das echte Interesse der Firmen spüren. Ich bin überzeugt, es gibt keinen Mismatch von Angebot und Nachfrage. Die Talente sind anspruchsvoller, wählerischer und selbstsicherer geworden. Ich gebe dir das klassische Beispiel mit dem Fisch: Wenn die Angel mehr oder weniger an der gleichen Stelle, mit dem gleichen Köder ausgeworfen wird, so denken sich die Fische «Nicht schon wieder die gleiche Made. Ich will etwas Besseres, ich will umworben, ich will ernst genommen werden». Natürlich hinkt dieser Vergleich hinterher, aber er illustriert auf eine sinnbildliche Art und Weise, um was es mir geht. Die Talente möchten umworben und ernst genommen werden. Sie wollen Verbindlichkeit, Sinnhaftigkeit, Chancenvielfalt und Ehrlichkeit erfahren. Viele Firmen präsentieren sich schlecht, verkaufen sich unter ihrem Wert und verpassen durch ihre überalterten Prozesse Chancen. Individualität, Persönlichkeit, flexibles Timing, Kreativität und Mut zu neuen Wegen ist gefragt. Zeigen Sie wahres und echtes Interesse an den Talenten. Jedes Talent, welches sich beworben hat, ist ein wertvoller Botschafter für die Unternehmung. Das muss man sich bewusst sein.
In Zukunft wird es aufgrund der Qualifikationen wenige Gewinner und viele Verlierer geben. Was würdest du als Arbeitgeber dagegen machen?
Das sehe ich ebenso. Aktuell ist es noch nicht stark bemerkbar, weil uns die Wirtschaftssituation in die Hände spielt. Sobald sich das wirtschaftliche Umfeld abkühlt, wird die entstandene Friktion stärker ersichtlich. Mein Grundsatz: Wir alle müssen mit der Zeit gehen und die Tugend der Neugier bewahren. Als Arbeitgeber haben wir eine soziale und wirtschaftliche Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern. Wir sollten Zeit und Ressourcen in deren Aus- und Weiterbildung und in ihre Persönlichkeitsentwicklung investieren.
Auf den Punkt gebracht – Was sind die 5 Schwächen im heutigen Talentmanagment?
- Die Hard Facts stehen immer noch im Vordergrund: Das sagt über das Talent sehr wenig aus. Vielmehr sollte auf die Fähigkeiten und die Einstellung geschaut werden.
- Der Blickwinkel ist zu einseitig: Wir haben einen Stellenbeschrieb, der aber morgen schon veraltet ist. Das widerspiegelt unsere heutige Dynamik schlichtweg nicht mehr. Die Chancen und Perspektiven sollten im Vordergrund stehen. Es heisst schliesslich Talent-MANAGEMENT.
- Unwissenheit, und Desinteresse bei den Recruitern: Menschen, die die Talente suchen und überzeugen sollten, kennen häufig ihr eigenes Unternehmen und deren gesuchte Profile nicht gut genug. So bleiben die Kompetenz, die Leidenschaft und das Feuer auf der Strecke.
- Das Unternehmen wirbt nicht für sich und um das Talent: Talente wollen umworben werden. Firmen müssen Marketing in eigener Sache machen.
- Alles ist sehr unverbindlich: Firmen erwarten, dass mit einem oder zwei Vorstellungsgespräche oder/und mit einem Schnuppertag bereits eine Loyalität und Identifikation erreicht werden kann. Das ist nicht realistisch.
Kurz gesagt: Es muss ein frischer Wind her. Die Zeiten sind vorbei, in denen mit Desinteresse rekrutiert werden kann.
Dein Tipp um Talente effizient zu finden.
Wenn ich mit Leidenschaft, Echtheit und Überzeugung rekrutiere und selektioniere, dann spürt man das. Lasst nur die Recruiter ans Werk, die Fans sind. Nur die Jünger und nicht die Söldner. Ein wunderbares Beispiel ist der Heineken Spot „The Candidate“ (https://youtu.be/a9JLJ4cm3W8). Es geht um Identifikation und Stolz bei der Arbeit, um Leidenschaft. Das muss das Ziel sein.
Was macht dir als Geschäftsführer Sorgen in der Schweiz?
Ich habe Einblick in etliche Schweizer Unternehmen. Das ist ein Vorteil meines Berufes und das hat mich schon immer begeistert. Ich kann sagen: Die Schweizer Unternehmen sind sehr gut unterwegs, kompetitiv aufgestellt und frisch in der Ideologie. Ich mache mir keine Sorgen um die Schweizer Wirtschaft. Aber um die Regulierungen, die in der Politik immer wieder diskutiert werden. Die Absichten sind gut, aber das Verständnis für die Konsequenzen fehlt. Wenn man an einem Rad eines komplexen Getriebes dreht, so sollte man die Auswirkungen auf das Gesamte nicht ausser Acht lassen… Die Politik, Verbände oder Interessensgemeinschaften möchten unser liberales, föderalistisches und freies Land schlichtweg zu fest reglementieren. Und das kann verheerende Auswirkungen auf unsere Wirtschaftsfähigkeit, Dynamik, Wettbewerbsstärke und schlussendlich unsere Arbeitsplätze haben. Das bereitet mir wirklich Sorgen.
Und auf was freust du dich?
Es ist mehr ein Stolz und weniger eine Freude. Ich bin stolz in einem Land zu leben, das so gute Rahmenbedingungen, eine starke Tradition, fleissige Arbeitnehmer, gesunde und innovative Unternehmungen und politischen Frieden hat. Und ich könnte noch weitere Tugenden der Schweiz aufzählen. Was ich sagen will ist, dass wir in einem Paradies leben, welches wir uns erarbeitet haben. Manchmal fehlt uns das Bewusstsein und die Dankbarkeit. Vieles wird zur Gewohnheit. Wir leben in einem der grossartigsten Länder dieses Planeten. Besinnen wir uns auf unsere Stärken und Eigenheiten – ich freue mich wirklich in den nächsten Jahren Teil davon zu sein.